Flüchtlinge wider Willen – oder wie Tirol (aus)verkauft wurde

„Mit 66 Jahren da fängt das Leben an“, singt Udo Jürgens.

Das hat sich auch Herbert gedacht, als er Abschied nahm von seiner geliebten Alm. Natürlich wurde ein neues Skigebiet erschlossen, gegen die Bergbahnen ist er ohnehin nur einer von vielen kleinen Flüchtlingen, der ihnen im Weg steht. Wohin also? In die Stadt. Wenn dann schon richtig. „Alles raus, alles neu“, wie es so schön heißt.

Zusammen mit seinen Ziegen überlegt er sich einen Businessplan. Was mit Tourismus, zieht immer in den Bergen. Hotel? Reiseführer? Wirt? Wirt! Wirt soll es werden! Ein schön rustikales Gasthaus in der Stadt. Da unten haben sie doch schon längst vergessen, was rustikal ist. Mit all dem digitalen „Schnickschnack“ und designeten Kloschüsseln ist der Tiroler untergegangen. Aber er, er weiß noch wie es geht. Er ist ja von der alten Schule.

Innovativer Tourismus in Tirol – Ganz-Jahres-Sale

Ähnlich wie der Ischgler Hotelier Günther Aloys fragt er sich „Warum mit dem Verkauf der Tiroler Natur aufhören?“ Wie man gemeinhin weiß, zählt Nachhaltigkeit in Bezug auf Tourismus eh nicht. Unterhaltung und Alkohol ist das Leitmotiv. „Alles raus, alles neu“ eben. Schneekanonen können auch bei +30° Grad noch schneien. Den betrunkenen Après-Ski-Urlaubern ist das sowieso egal, solange der nächste Jägermeister eisgekühlt kommt. Aber das sind die Pläne für später. Erst mal heißt es Fuß fassen, Flüchtlinge vom Berg haben es nicht leicht.

Wirt soll es werden!
Wirt soll es werden!

Wirtshaus soll es also sein. Nach ein wenig Herumstöbern hat er bald ein Lokal plus Lieferanten gefunden. Dank seinem Leben auf der Alm hat er sich ein wenig zusammen sparen können und das wird auch gleich ins Wirtshaus gesteckt. Neuer Boden, alte Vertäfelung, urige Hirschgeweihe sowie ein paar nostalgische Bilder vom Secondhand-Shop. Zufrieden sieht er sich um und sagt: „So isch richtig. Des schaut guad aus.“

Beispiele für fortschrittliches Denken gibt es in Tirol zur Genüge, das hat er sogar auf seiner Alm mitbekommen. In St. Johann in Tirol wird dank zweier ehemaliger Skiasse ein Fertigbau-Hotel eröffnet, das großteils maschinell betrieben wird. Unter dem Motto „Skispoan“ wird Check-In und Check-Out von Automaten übernommen. Insgesamt übernehmen nur acht Mitarbeiter die noch notwendigen menschlichen Arbeiten – so lange, bis endlich richtige Roboter das machen können. Geht eben nichts über Effizienz.

Mit wenig zu viel Erfolg – Dinner in the Dark braucht nicht viel
Mit wenig zu viel Erfolg – Dinner in the Dark braucht nicht viel

Nach der Eröffnung sieht er sich die Bilanz des ersten Monats an und stellt ernüchternd fest, dass fast nur die „Stammsäufer“ ihren Beitrag leisten und das große Geld ausbleibt. Änderungen müssen also her. Ideen bleiben aber aus, irgendwie gibt es ja schon alles. Zum Wanderführer fehlt ihm die Kondition und außerdem braucht man da seit neuestem einen Schein. „Vitamin B“ fehlt ihm auch, was also heißt: selber machen. Könnte sich mit einem bekannten Reiseführer zusammentun und „Dinner in the Dark for 2“ anbieten. Er spart sich den Strom, und die Leute kommen gerne und sehen es als was ganz Besonderes.

Alternative: Neger schauen

Was hätte ich gerne? Was habe ich früher gern gemacht? Während er in Erinnerungen dahintuckert, kommt ihm eine Idee. Früher, als er noch ein Kind war, sind sie immer Neger schauen gegangen ins nächste Dorf. Sieht man ja nicht alle Tage, so einen Schwarzen. Das war immer der Höhepunkt des Sommers gewesen, sonst gab es ja nicht viel.

Was habe ich früher gern gemacht?
Was habe ich früher gern gemacht?

Aber wo sind die heute? In Traiskirchen gibt’s so ein Lager, hat er mal gelesen, für Flüchtlinge. Viele aus Afrika, ergo Schwarze. Gerade hat er in der Zeitung gelesen, dass es so etwas auch in Südafrika gibt. Rein ins Ghetto, Armut bestaunen, ein bisschen Mitleid haben und danach erzählen, man ist in einer wahnsinnig gefährlichen Gegend unterwegs gewesen. Busunternehmen ist schnell gefunden. Auch wenn es nicht genau versteht, was der Wirt beim Flüchtlingslager will, aber Kunde ist Kunde. Und in Zeiten wie diesen kann man um jeden Auftrag froh sein.

Sollte das auch nichts werden, gibt’s ja immer noch die Russen. Die wollen nach ihrer Vertreibung aus Kitzbühel im restlichen Tirol zuschlagen, wenn man ihnen die Gelegenheit dazu gibt.

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Von in Tirol