Adé, schönes Tirol: Darum wird die Party-Industrie unser schönes Land vollkommen zerstören

Ja, wir haben die Berge. Und die Natur. Aber wie lange noch? Wenn ich mir ansehe, was seit Jahren in unserem schönen, kleinen Land geschieht, dann bin ich mir nicht sicher, ob nicht auch noch die Berge zu einer einzigen, großen Bespaßungs-Maschinerie werden. Die Gäste müssen ja schließlich unterhalten werden. Es ist ihnen nicht mehr zuzumuten, dass sie einfach wandern gehen oder die Natur genießen. Wenn nicht laut hämmernd irgendwo her technoide Beats vom Band kommen und wenn weit und breit keine Stripperin zu finden ist, dann ist das schon gar nicht mehr Tirol. Wie weit sind wir eigentlich gekommen?

Ich stelle es mir manchmal jedenfalls noch vor: Vor Jahrzehnten gab es weit und breit noch fast nichts oder zumindest weniger. Da wo jetzt Party-Metropolen stehen, waren früher Bergbauerndörfer, die sich ihre Ursprünglichkeit noch bewahrt hatten. Im Heute sieht es da gänzlich anders aus: Überall wird der Gast bespaßt, unterhalten, er kommt gar nicht mehr zum Durchatmen. Schließlich soll ihm mit Partys und durchrationalisierten Party-Programmen das Geld gezielt aus der Tasche gezogen werden. Die Berge ringsum dienen nur noch als Kulisse. Oder schlimmer noch: Sie sind Teil dieser Unterhaltungs-Maschine.

Tirol: Ein einziger, großer, strukturierter Abenteuerspielplatz!

Die Berge sind nicht mehr nur Berge, von deren Schönheit man begeistert sein kann, sondern die Berge sind nur noch unter dem Gesichtspunkt des „Noch-Mehr“ zu betrachten. Die Berge sind nicht nur einfach nur schön, sondern sie werden kategorisiert: Welcher Berg hat die meisten Wandertouren? Welcher Berg hat die meisten Pistenkilometer? Von vorne bis hinten muss alles durchgeplant sein, der Gast soll ja schließlich wissen was er bekommt.

Die Pisten sind natürlich alle, laut Selbstbeschreibung, bestens präpariert, die Wanderwege großzügig. Wohin kämen wir schließlich auch, wenn sich der Gast in Tirol seinen eigenen Weg suchen müsste und vielleicht einen Pistenkilometer weniger als anderswo hätte? Die Gäste würden nicht wiederkommen. Das ist zumindest die einhellige Meinung von so manchem Touristiker. Wenn das so weiter geht, dann ist Tirol bald nur mehr eine Aneinanderreihung von Party-Tempeln, Pistenkilometern und Wander-Routen. Dann gute Nacht Tirol.

Party in Tirol: Stellen wir uns wirklich so unser Tirol vor?

Ich behaupte schlicht und einfach folgendes: Die Berge sind mittlerweile nicht mehr ein Gegenentwurf zur lauten, oberflächlichen Party-Kultur, sondern sie sind die logische Fortsetzung dessen. Die Berge sind nicht mehr einfach nur die wunderschönen Berge, sondern es sind Orte die absolut nach quantitativen Maßstäben bewertet werden. Welcher Ort bietet mehr Partys, mehr Pistenkilometer, mehr Wanderrouten?

Nur der Ort, der von allem am meisten hat, wird den harten Überlebenskampf gewinnen. Die Gäste wollen Abenteuer erleben, aber das soll natürlich in einem klar definierten Rahmen bleiben. Die Gäste wollen unterhalten werden. Wer sie am besten unterhält, der gewinnt!

Ich sehe die Sache grundlegend anders: Wir müssen die Natur wieder mehr Natur sein lassen! Wir müssen uns wieder auf die Schönheit der Natur besinnen! Die Gäste werden auch plötzlich merken, dass sie bisher eigentlich bevormundet worden sind. Indem wir ihnen immer mehr bieten, immer mehr an Action, konstruierten Abenteuern und Möglichkeiten sich bespaßen zu lassen, sprechen wir ihnen ja zugleich auch die Fähigkeit ab, sich selbst zu unterhalten.

Warum reicht uns in Tirol nicht einfach „nur“ die Schönheit aus (Im Bild: Tannheimer Tal)?

Einfach mal nur zu sein, zu genießen, zu entspannen. Den Tag Tag sein und sich von der umgebenden Natur berauschen zu lassen. Weniger ist mehr! Die Gäste werden auch zu uns kommen, weil die Natur hier so schön ist wie sonst kaum anderswo. Brauchen wir wirklich die nächste Disco, den nächsten Club und die nächste Party in den Alpen? Macht uns das nicht verwechselbarer, gleicher? Führt das nicht zu einer Nivellierung der Besonderheiten in Tirol?

Einfach nur schön: Die Wildschönau!

Spätestens wenn ich in einem Club in einer der Party-Metropolen stehe und nicht mehr weiß, ob ich in Ibiza oder Tirol bin, dann ist es zu spät. Ich möchte wissen, wo ich bin. Ich möchte die Unterschiede bewahren. Ich möchte mich dafür aussprechen, dass wir der Party-Industrie auch ihre Grenzen aufzeigen.

Steigen wir in Tirol aus aus diesem Hamster-Rad des Immer-Mehr-Bieten-Müssens und bieten wir wieder bewusst weniger! Möglicherweise kommen nämlich die Gäste auch deshalb nach Tirol, weil es dort weniger gibt: Weniger Stress, weniger aufgesetzte Unterhaltung, dafür aber mehr Ruhe und mehr landschaftliche Schönheit. Das sind Kategorien, die meiner Meinung nach zukunftsträchtig sind und unser schönes Land Tirol nicht sukzessive zerstören.

Es gibt Regionen und Täler, die da als Vorbild dienen könnten. Vielleicht das Tannheimer Tal? Oder die Wildschönau? Ich sage nicht, dass dort alles gut ist, aber die Richtung stimmt in diesen Tälern. Nehmen wir uns ein Vorbild an ihnen und schauen wir zu, dass wir dieser Party-Industrie einen Strich durch die Rechnung machen. Möglichst bald, bevor es mit Tirol vollends bergab geht!

Adé, schönes Tirol: Darum wird die Party-Industrie unser schönes Land vollkommen zerstören
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Von in Tirol