Kulinarisch unterwegs im Ötztal: Darf´s auch ein bisserl bodenständig sein?

Ich bin kein Kulinarik-Experte. Ebenso wenig wie ich ein Musik- oder gar ein Kunstexperte bin. Aber ich mache mir so meine Gedanken zu den Themen und bin fest davon überzeugt, dass sich Verständnis und Vergleichsmöglichkeiten aus der Praxis heraus ergeben. Theorie, schön und gut. Aber letztlich muss man hören, essen, kosten und vergleichen, um zu einem Urteil zu kommen. Ein Gespräch mit Patrick Raaß, das ich kürzlich führen durfte, hat mich zum Nachdenken gebracht, wie für mich das perfekte kulinarische Erlebnis ausschaut und sein muss. Hier findet ihr ein paar Antwortversuche.

Ein Bekannter von mir hat einmal gemeint, dass er eigentlich über alles schreiben möchte. Vom Würstelstand bis hin zum kulinarischen Top-Niveau soll da eigentlich alles dabei sein. Und irgendwie klingt da durch, dass es keine gravierenden Unterschiede zwischen diesen Ebenen gibt. Ein gutes Essen ist ein gutes Essen ist ein gutes Essen. Es kommt weniger darauf an, was zubereitet wird, sondern WIE es zubereitet wird. Ein gutes Würstel ist ein gutes Würstel, wenn derjenige der es zubereitet versteht, es passend zuzubereiten.

Alfred Miller, einer der Haubenköche Innsbrucks, hat zum Beispiel vor seiner Zeit als Haubenkoch jahrelang die Kantine im Tivolistadion geleitet. Auf die Frage hin, ob er da nicht unterfordert gewesen sei, antwortet Miller auf sehr interessante Weise: „Nein, es war eine erfolgreiche Zeit. Bei mir hat es ein kaltes Bier und warme Würstel gegeben. Von Leuten höre ich, dass es heute oft umgekehrt ist. Auch wenn es nur ein Würstel war, die Leute haben gezahlt und sollen etwas Gutes bekommen.“.

Diese Antwort fasziniert mich. Nicht nur, weil da eine gewisse Demut mitschwingt. Sondern auch, weil hier die ansonsten manchmal übliche Arroganz eines Spitzenkochs gegenüber dem kulinarisch Trivialen völlig fehlt. Was ich hier heraushöre ist der Respekt vor einem Produkt, so alltäglich und selbstverständlich es vielleicht auch sein mag. Es gibt kein Geheimnis rund um ein normales Würstel, dennoch gibt es ein paar Dinge, die bei der Zubereitung beachtet werden müssen, damit der Gast ein optimales, gut gekochtes und warmes Würstel auf seinen Teller hat.

Die Küche im „Hochfirst“ im Ötztal: Irgendwie bodenständig und doch raffiniert…

Was möchte ich euch damit sagen? Das hier: Es geht darum, das bestmögliche unter den jeweiligen Bedingungen zu schaffen und zu kochen und dabei Bodenhaftung zu bewahren. Das übermäßig gekünstelte, überkandidelte und artifizielle ist in Sachen Kulinarik meine Sache nicht. Ich will sehen, was ich auf dem Teller habe. Eine Überzahl an Zutaten ist mir eigentlich ein Gräuel. Ein kulinarischer Hochgenuss muss ich Grunde „watscheneinfach“ und zugleich raffiniert sein. Ich muss die Ausgangsposition erkennen, die dann geschickt variiert wurde.

Dazu kommt auch noch, dass die jeweiligen Zutaten mit dem notwendigen „Respekt“ behandelt werden. Ebenso wie Alfred Miller davon spricht, dass ein gutes Würstel ein gutes Würstel ist, wenn es zumindest gut gekocht und warm ist, ist es so, dass, sobald die kulinarischen Kreationen etwas komplexer werden, die Zutaten ihrem „Wesen“ nach zubereitet werden sollten, d.h. dass das Beste aus ihnen herausgeholt wird.

Mir gefällt die Idee, dass ein Koch weniger Künstler als viel mehr „Erfüllungsgehilfe“ einer Zutat und einer Speise ist. Es ist seine Aufgabe, den Produkten zu Geschmack und ihrem Geschmack in der Kombination und Kontrastsetzung mit anderen Zutaten zu ihrer Entfaltung zu verhelfen.

Von daher frage ich mich, ob mein Gespräch mit Patrick Raaß im Ötztal symptomatisch für eine mögliche Haltung war: Respekt vor der Region, vor den kulinarischen Wurzeln des Ötztals und Tirols und zugleich auch Respekt vor den Zutaten und den „Ausgangsmaterialien“. Patrick Raaß liegt da ganz auf meiner Wellenlänge: Er ist für Klarheit und doch für Originalität. Er setzt überraschende Akzente, verkünstelt sich aber nicht und scheint auch nicht die Bodenhaftung zu verlieren. Er wird das Hotel „Hochfirst“, das sein 80-jähriges Jubiläum feiert, ab dieser Wintersaison sicherlich kulinarisch bereichern.

Wie schaut es also aus, mein perfektes kulinarisches Erlebnis? Ich würde sagen: Mit einem Schuss Bodenständig und Regionalität versehen. Mit Zutaten und Produkten auf allerhöchstem Niveau, die auch mit dem notwendigen Respekt vor dem Eigenschmack zubereitet und geschmacklich zur vollen Blüte gebracht werden. Und: Auf meinen Teller darf auch hin und wieder Essen sein, von dem man auch satt wird.

So, jetzt da ich mich exponiert habe: Was ist euer optimales kulinarisches Erlebnis? Doch in gewisser Weise bodenständig? Lieber extrem verfeinert und irgendwie auch künstlerisch? Ich bin gespannt auf eure Meinungen!

Kulinarisch unterwegs im Ötztal: Darf´s auch ein bisserl bodenständig sein?
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Von in Tirol