Schützen, Trachten, Volksmusik – und Yoga im Kaiserwinkl?

Käsefeste. Trachten. Almabtriebe. Volksmusik. Schützen. Bodenständigkeit. Das alles sind Begriffe, die man mit Tirol assoziieren kann. Wenn man möchte. Und all diese Dinge finden sich auch in Tirol nach wie vor. Ein paar davon sind noch lebendig gelebte Tradition, ein paar nur mehr Folklore für die Touristen. Und auch Touristen fallen immer weniger auf dieses Folklore-Gehabe und diese Schein-Authentizität herein. Doch Tirol und auch der Kaiserwinkl ist wesentlich mehr. Selbst Yoga ist im Kaiserwinkl ein Thema. Wie passt das aber mit der beschriebenen Bodenständigkeit und dem Traditionsbewusstsein zusammen?

Dabei ist die Frage eigentlich einfach. Und doch unendlich komplex: Was hat es eigentlich mit dem Tirol-Bild auf sich, das sich so hartnäckig in den Köpfen von so vielen hält? Ich denke es ist auch eine Tradierung dessen, was von Tirol geglaubt und angenommen wird, das es einst gewesen ist. Es ist eine Weitergabe von Bildern, von Vorstellung und von Klischees, die sich irgendwann verfestigt haben und die zu hinterfragen ab einem gewissen Zeitpunkt schwierig geworden ist. Es sind aber nur Vorstellungen, Diskurse, Erzählungen, deren Zusammenhang mit der Realität, sei es einst und jetzt, nur mehr schwer überprüft werden kann.

Anders gesagt: Diese Bilder und Vorstellungen haben sich so in vielen Köpfen festgesetzt, dass es schwer wird, über ein anderes Tirol zu erzählen, das es auch noch gibt. Wir sehen, was wir sehen wollen. Wir nehmen das wahr, für das wir Begriffe haben. Und wir erleben und erfahren das, was wir eben erfahren wollen. Wenn wir mit dem Ansatz in den Kaiserwinkl kommen, dass wir gelebte Tiroler Gastfreundschaft, Bodenständigkeit und „Tirolertum“ erleben möchten, dann werden wir wohl auch genau das erleben. Wir werden nachgerade danach suchen und vielleicht auch fündig werden. Wie echt diese Inszenierungen dann sind, die wir vorfinden, ist wieder eine andere Sache.

Noch etwas steht uns im Weg, auch Dinge und Aspekte zu sehen, die auf den ersten Blick so gar nicht zu Tirol oder zum Kaiserwinkl zu passen scheinen: Wir neigen dazu, Regionen, Länder und Staaten zu homogenisieren. Die Österreicher sind so. Die Deutschen sind so. Und die Russen ja natürlich überhaupt.

Daneben gibt es kaum noch eine Möglichkeit zu sagen, dass die Deutschen vielleicht so und so sind, aber es DIE Deutschen in dieser Form gar nicht gibt. Es mag einzelne Eigenschaften geben, es mag einzelne Haltungen geben und es mag Tendenzen in der Kulturgeschichte Deutschlandes geben, die sich beschreiben lassen. Aber es ist  garantiert nichts da, das es legitimiert, von DEN Deutschen als homogenes Volk zu sprechen. Ähnlich verhält es sich mit Tirol und den Tirolerinnen und Tirolern.

Unterwegs im Kaiserwinkl: Schützen, Volksmusik und – Yoga?

Auch wenn es manche vielleicht nicht glauben: Tirolerinnen und Tiroler laufen nicht Tag und Nacht mit Trachten herum, sind bei den Schützen und interessieren sich für Volksmusik. Der Punkt ist aber: Ja, es gibt natürlich solche Tiroler, die Trachten mögen und diese auch zu allen passenden und unpassenden Anlässen tragen. Und natürlich sind manche bei den Schützen, bei der Musik oder was weiß ich noch alles. Meist sogar noch nicht aus einem stumpfen Traditionsbewusstsein, sondern aus einer bewussten Entscheidung heraus, dass ihm oder ihr das wichtig ist. Und doch ist nicht jeder Tiroler so. Es geht auch anders. Und auch das sollte Platz haben!

Es ist auch eine Frage der „Methode“, sprich der Betrachtungsweise. Schließt man von einzelnen Praktiken, Ritualen und Traditionen auf die breite Masse oder macht man diesen Sprung und diesen Schritt nicht? Soll heißen: Lässt man die Traditionen Traditionen sein und betrachtet sie als Tendenzen, als Phänomene, von denen sich NICHT auf ein ganzes Volk oder auf den ganzen Kulturraum schließen lässt? Eine Kultur ist notwendigerweise immer heterogen, vielfältig und widersprüchlich. Von einzelnen Handlungen lässt sich nicht auf die Verfasstheit einer ganzen Region schließen.

Diese These möchte ich anhand eines kleinen Beispiels vorführen. Mit dem Kaiserwinkl. Dort gibt es NATÜRLICH das eine oder andere Käsfest und auch das Thema Volksmusik und volkstümliche Musik wird, wie fast überall in Tirol, ganz groß geschrieben. Aber: Es gibt auch andere Tendenzen, andere Möglichkeiten und andere „Rituale“, die man nicht mit der vorherrschenden „Mainstream-Kultur“ auf einen Nenner bringen kann.

Ist es zum Beispiel eine Abweichung, wenn von Yoga im Kaiserwinkl die Rede ist? Ich denke nein. Denn eine Abweichung ist es nur dann, wenn man davon ausgeht, dass es überhaupt eine homogene vorherrschenden Kultur gibt, an die sich alles anpassen muss. Wenn ohnehin schon alles a priori heterogen, vielstimmig und teilweise widersprüchlich ist, dann hat man auch mit Yoga im Kaiserwinkl kein Problem. Denn dann ist das nur Teil eines immer bunter und vielfältiger werdenden Tirols, in dem auch Yoga und mithin auch der „Ferne Osten“ seinen verdienten Platz hat.

Was meint ihr dazu? Wie steht ihr zum Thema Yoga in Tirol? Und: Sollen wir mit einer solchen Buntheit leben? Oder doch lieber zurück zur  Bodenständigkeit und zur Leitkultur? Ich freue mich über Meinungen!

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Von in Tirol