I want Moor: Die „Schwemm“ im Kaiserwinkl

Peinlich. Wirklich peinlich. Jetzt schreibe ich schon seit einiger Zeit über den Kaiserwinkl, der mir aufgrund meiner Kindheit und meiner Jugendzeit besonders am Herzen liegt und habe euch noch nie von der „Schwemm“ erzählt. Das hätte mir nicht passieren dürfen. Unter Umständen kann ich es damit rechtfertigen, dass die „Schwemm“ im Kaiserwinkl als Geheimtipp gehandelt wird und dass man solche ja hin und wieder auch für sich behalten möchte. Weil sie kostbar sind. Ich erzähle es euch trotzdem. Aber bitte nicht weitererzählen…

Der Kaiserwinkl selbst preist ja die Moorführung als eine Führung für die ganze Familie an. Denn Kinder mögen ja bekanntlich Tiere. Frösche, Libellen, Wasserkäfer und ähnliches tummelt sich hier in der Schwemm nämlich auch tatsächlich. Ich persönlich möchte mich aber dagegen wehren, dass die „Schwemm“ und die Führungen in der Schwemm, die jetzt noch bis 19. Oktober angeboten werden (ihr müsst euch also beeilen), als eine Kindersache abgetan und damit aus meiner Sicht unter Wert verkauft werden.

Selbst die Zeitung „Die Presse“ zeigte sich kürzlich begeistert von dieser Moorlandschaft und das alles begeistert folglich zweifellos auch Erwachsene. Ja, schon schön, wenn hier mit Fangnetzen und netten Spielen die Natur spielerisch erkundet wird. Aber ich behaupte, dass die Faszination für diese ganz eigentümliche Landschaft nicht nur auf die Kinder reduziert werden sollte. Schon wahr: Früh übt sich, wer ein Naturliebhaber werden will. Aber ich habe auch so das Gefühl, dass es dem einen oder anderen Erwachsenen nicht schaden könnte, die „Schwemm“ zu erleben.

Die „Schwemm“ im Kaiserwinkl: Ein Juwel, das Bewusstsein schafft

Bevor ich euch verraten, warum ihr unbedingt die „Schwemm“ erleben und erfahre müsst, noch ein paar Zahlen und Fakten zu diesem einzigartigen Gebiet: Es liegt nahe dem Walchsee im Kaiserwinkl und ist mit stolzen 65,7 Hektar der größte Moorkomplex Nordtirols. Seit 2009 ist es als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Besonders interessiert sind bei der „Schwemm“ im Kaiserwinkl die Hoch- und Übergangsmoore, die sich auf einer Fläche von 28 Hektar ausweiten. Auf diesen findet sich Flora und Fauna, die man ansonsten lange suchen müsste.

Die „Schwemm“ muss dabei nicht zwingend in einer Führung erwandert und erlebt werden, auch auf eigene Faust kann man sich auf den Weg machen. Ein Vorsicht ist jedoch geboten, es wird nämlich erzählt, dass die „Schwemm“ historisch schon den einen oder anderen verschluckt und nicht mehr freigegeben hat. Angesichts der 10.000 jährigen Geschichte, welche die Schwemm schon auf dem sprichwörtlichen Buckel hat auch kein Wunder.

Besonders konzentrieren solltet ihr euch aber nicht nur darauf, dass ihr nicht auf eine falsche Stelle geratet, sondern auch auf die besagten Tierarten. Hier leben um die 33 Arten von Libellen, der fleischfressende Sonnentau oder gar eine Jagdspinne, die einem andernorts, ich möchte fast sagen zum Glück, eher nicht begegnen wird. Auch zahlreiche Vogelarten werden einem hier begegnen, die sich in der Schwemm im Kaiserwinkl mehr als nur wohl fühlen. Schließlich ist die Abgeschiedenheit für Vögel eine gute Sache, die hier ihre selige Ruhe suchen und auch finden. Die bedrohte Bekassine hat sich in der Schwemm zum Beispiel ein f eines Plätzchen gesucht um zu brüten. Es handelt sich dabei offenbar um den einzigen nachgewiesenen Brutplatz in ganz Tirol.

Jetzt werdet ihr sagen: Alles schön und gut, aber was will er uns jetzt damit sagen? Eigentlich nur eine Sache: Vielfalt ist wichtig! Die Schwemm im Kaiserwinkl zeigt, was alles möglich wäre und welche Vielfalt die Natur anzubieten hat und hätte, wenn wir sie schonend behandeln und ihr auch mal ein wenig Ruhe gönnen. Ich möchte mich hier jetzt nicht als der große Umweltschützer und Kulturpessimist aufspielen, der ich ja auch gar nicht bin, aber es ist doch schön zu sehen, dass solche Räume wie die Schwemm im Kaiserwinkl noch erhalten sind.

Für mich sind solche Orte unendlich kostbar und beruhigend: Abseits von Lärm, Hektik und Massentourismus gibt es auch noch solche Orte der Stille und der Vielfalt. Der Massentourismus neigt, zumindest aus meiner Sicht, nämlich zur Nivellierung und zur Zuspitzung auf einige wenige Aktivitäten: Wandern und Skifahren sind dabei die Leitkategorien.

Orte wie die Schwemm im Kaiserwinkl erinnern uns daran, dass es nicht die sportliche Höchstleistung sein muss, sondern dass es auch einfach mal nur staunen sein darf. Staunen über die Vielfalt der Natur, die mehr und mehr verloren geht. So ist die Schwemm zugleich ein wunderschöner Ort, der aber auch ein wenig melancholisch macht. Von daher wünsche ich mir fast, dass nicht alle von der „Schwemm“ im Kaiserwinkl erfahren. Damit es ein besonderer, ruhiger Ort bleibt.

I want Moor: Die „Schwemm“ im Kaiserwinkl
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Von in Tirol