Es wäre ein großer Fehler, sich bei den „Promenadenkonzerten“ in Innsbruck als interessierter Musikhörer von einigen Aspekten abschrecken zu lassen. Wie zum Beispiel dem hohen Altersschnitt des Publikums oder von diversen Vorurteilen, die jüngere Musikinteressierte gegenüber der sogenannten Blasmusik haben könnten. Fakt ist aber: Die Innsbrucker Promenadenkonzerte sind in Sachen Klang, Art, Atmosphäre und Musikalität so ziemlich das Beste, was einem musikalisch im Sommer in Innsbruck passieren kann.
Ein wenig stur und eigensinnig kommt der künstlerische Leiter der „Innsbrucker Promenadenkonzerte“ ja schon rüber. In Tirol kennt man Alois Schöpf und er hat es sich auch nicht verkniffen, so manch kritische Position gegenüber der Tiroler Blasmusik einzunehmen, der er in regelmäßigen Abständen vorwirft, sich zum Teil dem Zeitgeist und der puren Unterhaltung angebiedert zu haben. Er meint damit aber nicht nur Tirol, sondern die Blasmusik insgesamt.
Die unsinnige und voreilige Modernität ist ihm ein Dorn im Auge. „Man wollte plötzlich modern erscheinen, worunter oft peinliche und für bläserische Transkriptionen ungeeignete Wiedergabe kommerzieller Unterhaltungsmusik verstanden wurde.“ Das schreibt Alois Schöpf im Programmheft der „Innsbrucker Promenadenkonzerte“. Dem entgegen hält er ein dezidiertes und glasklares Konzept: „Die Idee der Innsbrucker Promenadenkonzerte ist immer dieselbe geblieben: Einem breiten Publikum bei Freiluftkonzerten die Werke der Kunst- und gehobenen Unterhaltungsmusik in Bläserfassung näherzubringen.“
Eines kann man also dem künstlerischen Leiter der „Promenadenkonzerte“ in Innsbruck wirklich nicht unterstellen: Dass er diesen Grundsätzen und diesem Konzept untreu geworden wäre. Trotz meiner anfänglichen Skepsis gegenüber den „Innsbrucker Promenadenkonzerten“, etwa weil da vielleicht zu viel Geschichte und Tradition im Spiel sein könnte, muss ich nach einigen besuchten Konzerten in diesem Jahr sagen, dass die „Innsbrucker Promenadenkonzerte“ etwas vom musikalisch Feinsten und Eindrucksvollsten sind, das mir in diesem Musikjahr bisher passiert ist.
Die „Promenadenkonzerte“ in Innsbruck: Ein Musikalisches Konzept, das tragfähig ist
Bemerkenswert ist dabei, dass das Festhalten am künstlerischen Konzept der „Promenadenkonzerte“ nicht zu einer Einengung geführt hat, sondern im Gegenteil Türen aufgestoßen hat. Die absolute Besinnung auf Qualität erlaubt es den „Promenadenkonzerten“ einen Fokus auf gewisse musikalische Strömungen zu legen und zugleich eine künstlerische Offenheit zu fokussieren, die erfolgreich der Beliebigkeit trotzt.
David Nagiller, Redakteur im Programmheft der „Promenadenkonzerte“ merkt in dieser Sache richtig an: „Es muss klar sein, dass die Innsbrucker Promenadenkonzerte kein Jahrmarkt der Beliebigkeit sind, sondern eine Konzertreihe mit Regeln – vor allem hinsichtlich der Programmgestaltung.“ Dazu zählt er unter anderem höchstes komposotorisches Niveau. Meine These dazu ist relativ einfach: Während kulturell gesehen an manch anderer Stelle geglaubt wird, dass die radikale Demokratisierung und das absolute Mitspracherecht von allen und jedem zu der Erweiterung der ästhetischen und künstlerischen Möglichkeiten und Positionen führt, ist bei den „Promenadenkonzerten“ klar, dass es mit Alois Schöpf eine Art „Letztinstanz“ gibt, die den „roten Faden“ in der Konzertreihe garantiert und diese erfolgreich vor Beliebigkeit schützt.
Denn genau darum geht es, aus meiner Sicht, wenn man eine Konzertreihe initiiert: Um die Verteidigung von Etwas von dem man glaubt, dass es Wert ist verteidigt zu werden. Zugleich darf aber nicht in einer verteidigenden, passiven Haltung verharrt werden. Es gilt aktiv aufzuzeigen, was genau schützenswert ist, was genau man als wertvoll erachtet. Das hat nichts mit einer Wahrung von Tradition oder gar einer ästhetischen Einigelung oder Einengung zu tun. Eine strikte Haltung zu Musik und Kultur zeigt an, dass mit einer konzeptionellen Haltung und einer klaren ästhetischen Position Musik bewertet und eingeschätzt werden kann.
Die Promenadenkonzerte in Innsbruck: Kein Platz für Mittelmäßigkeit
Anders gesagt: Wer keine Position hat, der handelt beliebig und öffnet der Mittelmäßigkeit Tür und Tor. Wer hingegen eine klare Haltung einnimmt, der erkennt Qualität: über die Jahrhunderte und Genres hinweg. Ohne Haltung und ohne den unbedingten Begriff der Qualität und des musikalischen Anspruchs sind wir blind und tappen nur plan- und ziellos in der Musikgeschichte umher. Alois Schöpf ist eine Person die Haltung und Stellung bezieht. Und dem sowohl der Erfolg als auch die Qualität der „Innsbrucker Promenadenkonzerte“ recht gibt, genau dort und genau so weiterzumachen bis bisher.
Mir erscheint es, dass sich die musikalische Vielfalt und das musikalische Niveau Jahr für Jahr steigern. Zunehmend sind in diesem Jahr auch jazzige Aspekte im Programm zu bemerken. Von einer Grundhaltung und Grundposition aus nähern sich die „Promenadenkonzerte“ in Innsbruck auch zum Teil musikalischem Neuland an. Wie organisch und wie überzeugend das gelingt, ist vorbildlich. Einfach gesagt: das musikalische und künstlerische Konzept ist tragfähig und lässt über die Jahre hinweg gesehen noch Entwicklungen und Variationen zu, ohne beliebig zu werden. Für mich absolut bewundernswert.
Ich könnte auch jedenfalls von einigen Konzerten in diesem Jahr bei den „Promenadenkonzerten“ in Innsbruck wahre Wunderdinge berichten. Davon, was für ein gewaltiger und überwältigender Klangkörper so ein Ensemble mit 40 oder mehr Bläsern ist. Davon, wie wunderschön die Kulisse in der Hofburg in Innsbruck ist und welchen Zauber man erlebt, wenn es dort langsam dämmrig und dann dunkel wird. Der Punkt dabei ist aber: Darüber schreiben und lesen ist Silber, erleben und erfahren ist Gold.
Menschen mit offenen Ohren werden bei den „Promenadenkonzerte“ Dinge erleben, die sie nicht für möglich gehalten haben. Für mich war bisher einer der unglaublichsten Momente das Konzerte vom „European Brass Ensemble“ mit dem Trompeter und Multiinstrumentalisten James Morrison zu erleben, der mögliche Brüche zwischen Johann Sebastian Bach und dezent swingendem Jazz ganz einfach nicht akzeptieren wollte. Kurzerhand wurde eine Fuge von Bach „verjazzt“ – Swing und Groove inklusive. Ich muss es gestehen: Das war ein Moment, der mich so begeisterte, dass ich zu Tränen gerührt war.
Bei einem bin ich mir sicher: Es wird in diesem Jahr noch einige solcher Momente geben. Und ich möchte jedem anraten, sich die „Promenadenkonzerte“ in Innsbruck anzuhören. Vorurteile gegenüber Blasmusik zur Seite zu schieben und wirklich vorurteilsfrei hinzuhören. Dann besteht die Möglichkeit, magische musikalische Momente zu erleben.
Von Markus Stegmayr 2014-07-9 in Tirol
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