Von grenzenloser Gier und sklavenartiger Ausbeutung war an dieser Stelle schon die Rede. Bisher lediglich im Zusammenhang mit textilen Ausbeutern wie dem Klamottenladen Primark im Innsbrucker Sillpark. Aber heimlich, still und leise haben lokale Brot-Barone Innsbruck mit einem gleichermaßen profitablen wie spinnenartigen Netz überzogen, in das wir nur allzugerne hineintappen: Es geht um die hippen Brot- bzw. Snack-Läden. Sie duften in nahezu jedem Eck‘ vor sich hin. Und wenn die Inhalte mit den Preisen verglichen werden ist es sonnenklar: wir werden nach allen Regeln der Verkaufskunst abgezockt.
Es war vor etwa zwei Monaten, als mich frühmorgens der Hunger überkam. Auf dem Weg in‘s Büro bog ich daher in einen Baguette-Brotladen ein. Und bestellte einen Kaffee zum Mitnehmen samt
einer ,Kräuterbreze‘. Zugegeben, ohne mich nach dem Preis zu erkundigen. Erst als ich die Rechnung präsentiert erhielt, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich war ganz offenbar in eine Falle getappt. Die ,kulinarische‘ Kleinigkeit kostete gesalzene 3,80 Euro. Der Kaffee – ein Gschloder. Die Kräuterbreze: sie sollte richtigerweise Schnittlauch-Brezel heißen und kostete sagenhafte 1,60 Euro! Grund genug für mich, die Sache näher unter die Lupe zu nehmen.
Der Kilopreis für Kräuterbrezn: Unverschämte 18,60 Euro
Oft ist Ärger auch ein Antrieb. Im Fall der Kräuterbrezn um den unfassbaren Preis von 1,60 Euro wollte ich nun die Details ergründen. (Auf den Preis für den Kaffee in billigstem Pappbecher gehe ich vorerst gar nicht ein. Das ist eine andere Geschichte.) Also habe ich die Probe auf’s Exempel gemacht.
Die Ausgangsfrage: Was ist denn so teuer an dieser Brezn? Die Butter? Kaum, denn in einer von mir in die Bestanteile zerlegte Brezn betrug der Gewichtsanteil der Butter ganze 11 Gramm. Der Schnittlauch? Lächerlich. Oder gar die Brezn, also das Brot? Auch nicht, denn sie wog ohne Butter 75 Gramm. Denn jetzt rechnete ich den Kilo-Preis hoch. Wenn 86 Gramm 1,60 Euro kosten, dann beträgt der Kilopreis dieser Luxus-,Kräuterbrezn‘ sagenhafte 18,60 Euro!
Das schlägt dem Fass nun doch den Boden aus. Um sicher zu gehen, dass es sich dabei nicht um eine einmalige Fehlkalkulation handeln konnte, kaufte ich nochmals bei Baguette im PEMA-Hochhaus in Innsbruck ein. Mit einem weiteren unfassbaren Ergebnis und der Erkenntnis: Brot wird in Innsbruck offensichtlich zum Luxusgut hochgejazzt. Und das in einer Art und Weise, die ich eigentlich nur als Abkassiererei bezeichnen kann.
Mein Name sei Rockefeller – 1 kg vegetarisches Baguette kostet 16,20 Euro.
Ich wählte ein belegtes, vegetarisches Baguette zum Preis von 2,40 Euro. Dann zerlegte und wog ich die Komponenten, als da sind:
Käse: 43 g
Salat: 12 Gramm
Gurke: 1 Gramm
Pampe, vermutlich aus Mayonnaise, Sauerrahm und Kräutern hergestellt und auf die Schnittflächen geschmiert weniger als 1 Gramm
Radieschen und Paprika in homäopoatischer Dosierung: jeweils weniger als 1 Gramm. Ich nehme an, sie dienen als Aufputz und Farbtupfer, ähnlich den Präsentationen in der Michelin-Spitzengastronomie.
Baguette-Brotgewicht netto: 89 Gramm.
Gesamtgewicht: 148 Gramm. Kilopreis somit 16,20 Euro.
Wenn ich bedenke, dass ich 1 kg besten Vorarlberger Bergkäse, 10 Monate lang gereift, um 17 Euro erhalte, dann krieg ich den heiligen Zorn. Denn der Kilopreis des vegetarischen Baguettes ist nur mit einem Wort erklärbar: Profitmaximierung.
Das ist große Kunst: Käse-Origami von baguette. Damit Quantität und Profit stimmen.
Eine Anmerkung zur großen Käsekunst im ,vegetarischen Baguette‘ von Baguette. Die Käsescheiben – an sich hauchdünn aufgeschnitten – sind zu meinem großen Entzücken regelrecht gefaltet. Im Stil großer japanischer Origami-Kunst. So durchsichtig wie die Käsescheiben – so durchsichtig ist die Absicht. Die Käse-Faltkunst soll ja dem Baguette jenes Volumen signalisieren, das den Konsument_innen mit Gemüse, einer Kräuterpampe oder gar den mickrigen Salatblättchen anders nicht vorzugaukeln wäre. Nimmt man nämlich auch die anderen Brote unter die Lupe und zerlegt auch diese in ihre Einzelteile, so stellt man mit Erstaunen fest, dass die Brote lediglich halb belegt sind, aber dennoch der Anschein entsteht, ein voll bepacktes Brötchen vor sich liegen zu haben. Von der Kräuterpampe, die kunstvoll in der Mitte (und nur in der Mitte) zu finden ist ganz zu schweigen.
Was mich aber wirklich entsetzt: Wie kann es eigentlich einer Handvoll Groß-Bäckern in Innsbruck gelingen, innerhalb relativ kurzer Zeit ein Preisregime zu etablieren, das jedem Fass den Boden ausschlägt? Das – auf Kilogrammpreise umgelegt – Brot plötzlich zum Luxuslebensmittel macht? Natürlich, ich hör da schon das Argument: man muss ja nicht in diesen Rolex-Brotläden einkaufen. Richtig. Aber meine Gegenfrage: wer streicht schon morgens ein Frühstücksbrot, packt es in ein Plastikgeschirr und verzehrt es dann genüsslich im Büro?
Denn, da gibt es noch ein weiteres, äußerst interessantes Faktum. Wie mir Freund_innen aus Deutschland glaubhaft versichern, sind die Preise für ähnliche Brötchen-Produkte in Deutschland nur etwa halb so hoch. Wie das? Sind die Löhne dort noch niedriger als bei uns? Ist der Strom in Deutschland gar gratis?
Ja, und da ist noch eine weitere Frage an Baguette: woher stammen eigentlich die Rohprodukte jener Brotsorten, die nicht ,im Haus‘ hergestellt werden? Macht man sich die Mühe und liest sich in der offiziellen Homepage des, in Tirol fast schon landschaftsprägenden, Brotladens ein, so stellt man fest, dass lediglich 12 der 25 Kleingebäcksorten in der Bäckerei des Mutterunternehmens Mölk hergestellt werden. Bei den Feingebäcksorten ist es noch gravierender – hier werden 2 Sorten aus der Mölk-Bäckerei angeführt, aber insgesamt 45 Arten im Sortiment angegeben. Mich beschleicht ein übler Verdacht: dass nämlich auch in Innsbruck billigste, sogenannte Teiglinge tiefgekühlt zugekauft und offenbar trotz der „Rückbesinnung auf alte Handwerkskunst“ (baguette website) in Aufback-Öfen publikumswirksam ,aufgebacken‘ werden. Teiglinge, die zumeist aus Belgien, Polen oder gar aus China stammen.
Brot aus China?
China? Aber ja. Eine Meldung in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, nicht eben als linkes oder globalisierungskritisches Blatt bekannt, erregte meine Aufmerksamkeit. „2011 wurden etwas mehr als 18 071 Tonnen „Backwaren und andere Zubereitungen aus Getreide“ aus China nach Deutschland importiert. Darunter waren somit auch die Teiglinge. Mit den Liefermengen aus China ließe sich also fast der Jahresbedarf einer großen Brötchenkette decken. Und wenn Deutsche Back-Unternehmen und Brot-Barone den Plunder aus China kaufen, dann tun es die Österreicher erst recht.
Wäre also interessant zu wissen, ob in Innsbruck auch chinesisches Brot über die Tresen geht. So unglaublich das auch klingen mag. Bleibt dran und bleibt uns gewogen. Wir recherchieren weiter.
Text und Recherche - Mitarbeit: Lisa Reifer
Von Redaktion 2014-07-3 in Tirol
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