Fischen im Kaiserwinkl: Die erträgliche Leichtigkeit der Langeweile

Jetzt mal unter uns: Gibt es etwas Langweiligeres als fischen? Alle Leute, die mir erzählen, dass sie ihre innere Ruhe beim Fischen gefunden hätten, würde ich einfach mal glatt als Lügner abstempeln. Denn das was man beim Fischen findet ist keine innere Ruhe, sondern einfach nur die äußere Entsprechung zum eigenen inneren „Langweilig-Geworden-Sein“. Fischen ist für mich die Entsprechung zu Country-Musik. Eh ganz nett, aber halt letztlich etwas für alte Menschen, die sich auf ihren Lebensabend vorbereiten und dabei leise in ihr Bier weinen.

Ich bin der festen Überzeugung: Mit Mitte 40 oder hoffentlich doch noch ein wenig später würde es passieren: Mein Musikgeschmack würde sich über Nacht wandeln und ich würde alle meine Platten mit komplizierter und kopflastiger Musik verkaufen. Fortan würde ich Musik fürs Herz brauchen. Musik, die mich berührt und die mich emotional anspricht. Mit diesem Alter würde ich schon so viel im Leben erlebt haben und schon so oft gescheitert sein, sei es am Alltag oder an größeren Dingen, dass meine grundsätzlich Haltung zum Leben Melancholie wäre.

Dann würde ich in Sachen Country-Platten massiv aufrüsten. Schon früher hatten mich die Bilder in der Weite Amerikas angesprochen. Melancholische ältere Männer, die mit ihrem Truck durch Amerika fuhren und dann abends vor dem schlafen gehen noch ein letztes Bier tranken und dabei leise vor sich hin weinten, zumindest aber über ihr trauriges und einsames Leben reflektierten. Zu diesen ikonographischen Bildern lief dann meistens Country-Musik. Diese Musik ist die Entsprechung zu einem Leben, in dem man sich eigentlich nicht mehr viel erwartet. Vielleicht noch ein wenig Traurigkeit und nicht allzu viel Herzschmerz.

Von den U.S.A. in den Kaiserwinkl

Da wir aber nicht in Amerika sind, sondern in Österreich und noch präziser in Tirol, haben wir gar nicht die Möglichkeit, uns in gottverlassenen Bars an der Route 66 selbst zu bemitleiden. Wir müssen uns andere Möglichkeiten suchen, um uns auf unseren Lebensabend vorzubereiten. Um zur Ruhe zu kommen und dem wilden, jugendlichen Leben, das ohnehin nur auf Enttäuschungen hin zusteuert, abzuschwören. Meiner Meinung nach ist das Fischen eine perfekte Entsprechung zu den Bildern, die uns in Country-Videos immer wieder begegnen.

Ich stelle es mir so vor: Der einsame oder einsam gewordene, etwas ältere Herr fährt zum Fischen in den Kaiserwinkl. Jedes Wochenende. Mit der Präzision eines Uhrwerks wiederholt er dieses Ritual Woche für Woche. Dann steht er einsam da, im sogenannten Einklang mit der Natur und wartet darauf, dass ein Fisch anbeißt. Aber das ist eigentlich gar nicht das wirkliche Ziel.

Der Zeitraum bis ein Fisch anbeißt ist der eigentliche Zeitraum, warum er überhaupt zum Angeln in den Kaiserwinkl fährt. In dieser Zeit kommt er zum Nachdenken. Über sein Leben, seine Frauen, seine Vergangenheit. Darüber, dass er früher mal jung und wild war, vor Lebensenergie geradezu gesprüht hat. Und darüber, was aus ihm geworden ist: ein älterer Herr mit Drei-Tages-Bart, dem es eigentlich nicht wirklich schlecht geht. Aber dem trotzdem irgendetwas fehlt und dem im Leben schon einiges missglückt ist. Der erste Fisch, der anbeißt, holt ihn dann aus seinen Träumen zurück und verlangt ihm ein wenig Präsenz und Aktivität ab.

Danach noch ein wenig die, zugegebenermaßen, herrliche Natur im Kaiserwinkl genießen. Zum Beispiel beim Fischteich Schwendt, wo jedermann fischen und angeln kann. Danach noch zu einem kühlen Bierchen. Und dann wieder nach Hause. Erlebnisreiche, abenteuerliche Tage schauen anders ist. Erlebnis und Abenteuer – das war für ihn früher mal gewesen. Jetzt war seine Devise: Angeln, was das Zeug hält. Und zwar möglichst gemütlich und beschaulich.

Und, ich muss es gestehen: So schlecht gefällt mir der Gedanke an ein beschauliches, etwas langweiliges Leben gar nicht. Schließlich kommt fast jeder Online-Test bei dem man sein tatsächliches Alter herausfinden kann zum Ergebnis, dass ich innerlich fast 10 Jahre älter bin als ich es tatsächlich bin. Vielleicht wäre es als nur noch eine Frage der Zeit, bis man mich fischend im Kaiserwinkl antreffen würde. Leicht melancholisch, aber irgendwie auch durchaus zufrieden da stehend, vor mich hin sinnierend.

Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ich ein „Langweiler“ würde. Und ich war bereit und hatte keine Angst davor. Vielleicht würde dann auch die eine andere Träne nicht im Bier, sondern im Fischteich Schwendtlanden. Denn echte Männer können auch weinen. Zumindest wenn niemand hinschaut. Der Kaiserwinkl würde mein perfekter „Alterssitz“ sein. Für mich als leicht weinerlichen, grübelnden und melancholischen älteren Herren. Ich würde sie dort finden, die erträgliche Leichtigkeit der gepflegten Langeweile.

Fischen im Kaiserwinkl: Die erträgliche Leichtigkeit der Langeweile
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Von in Tirol