Guten Abend Sonnenschein: Sommersonnwende im Kaiserwinkl

Derzeit kommt man am Thema Sonnenwende ja wirklich nicht vorbei. Während einem, falls man zu dem fernsehenden Teil der Gesellschaft gehören sollte, das Thema „Midsommar“ um die Ohren gehauen wird, das die Schweden jetzt bald traditionellerweise feiern, feiert auch fast jede Stadt und jeder Ort ein Sommersonnwendfest. Es gibt kein Entrinnen. Alle scheinen sich zu freuen. Nur mich macht dieses Fest immer melancholisch. Weil klar ist: Ab jetzt geht es abwärts.

Dabei könnte alles so schön sein: Es gibt nämlich auch Sommersonnwendfeste ohne Hintergedanken. Feste, die nicht zum Anlass genommen werden um einem Möbel zu verkaufen, die nach wenigen Jahren nur mehr dazu taugen, vor die Tür gestellt zu werden in der Hoffnung, dass jemand mehr oder wenige kaputte Möbel noch brauchen kann. Oder die dazu da sind, schlichtweg schnellstmöglich entsorgt zu werden. Auch der Gedanken daran machte mich leicht melancholisch. Schließlich machte er die Vergänglichkeit der Dinge deutlich. Und die Tatsache, dass nichts für die Ewigkeit ist. Und dass uns die Möbelindustrie ganz schön an der Nase herum führte. Was aber wieder eine andere Geschichte wäre. Eines ist klar: Das Leben ist ein Trauerspiel.

Wenn mich Dinge allzu sehr deprimieren, wie eben das Sommersonnwendfest, das unweigerlich klar macht, dass die Tage ab jetzt wieder kürzer werden, dann versuche ich alles auf eine faktische Ebene zu heben. Fakten haben nämlich den entscheidenden Vorteil, faktisch zu sein. No na. Aber etwas, das faktisch ist, ist nicht emotional. Mir hilft das: Die Flucht auf die Ebene der Zahlen und Fakten nimmt die Emotion aus dem Spiel. Und hilft mir wieder klar und sachlich zu sehen. Ich finde im faktischen und apodiktischen steckt viel Schönheit. Aber Schönheit, die im Gegensatz zur Melancholie und zur puren Emotion nicht verletzend sein kann.

Sommersonnwende im Kaiserwinkl: Ein Ausweg aus der Abwärtsspirale?

Nun gut: Sonnenwenden: Die Sonnenwenden sind die Zeitpunkte, in denen die scheinbare geozentrische ekliptikale Länge der Sonne 90 Grad oder 270 Grad beträgt. Habt ihr was verstanden? Nein? Gut. Ich nämlich auch nicht. Was wunderbar ist. Denn so wird mir nicht bewusst, dass die Sommersonnwende vor allem eines heißt: Am 20., 21. oder 22. Juni erreicht die Sonne ihren mittäglichen Höchststand über dem Horizont. Eigentlich schön. Aber ich neige dazu wenn etwas auf die Spitze kommt schon wieder den kommenden Abwärtstrend zu sehen.

Gab es ein Entrinnen aus diesem Denken in Abwärtsspiralen? Eines war klar: Wollte man eine neue „Anleitung zum Unglücklichsein“ schreiben, wie es damals der großartige Paul Watzlawick tat, dann müsste man auch meine Haltung zur nach der Vollendung folgenden Abwärtsspirale mitdenken. Auch Kierkegaard wäre wohl überaus begeistert von meiner Haltung die ja letztlich suggeriert, dass ich nie in der Gegenwart lebe, sondern mich immer entweder danach sehne, wie es früher war oder mich danach sehne, wie es noch sein könnte. Die Gegenwart ist immer das Schlimmste. Sie hat nicht das Schöne der verklärten Vergangenheit und nicht das Versprechen von dem, was noch kommt. Kierkegaard nennt einen solche Person in diesem Zusammenhang den „Unglücklichsten“. Passt doch gut.

Kurzum: Ich hatte mein Problem erkannt. Und ich war auch, mehr oder weniger, bereit es zu lösen und mich zu ändern. Ich hatte eine Idee: Ein Sommersonnwendfest abseits des Mainstreams musste her. Ein Fest, das mir nichts verkaufen wollte, schon gar keine Möbel. Ein Fest, das einfach das war, war es war: Ein idyllisches Sommersonnwendfest. Das macht den Kreis schon mal kleiner. Und in dieser Sache war mir der Kaiserwinkl untergekommen. Dort ging demnächst das 9. Kaiserwinkl Sonnwendfest in Rettenschöss (21.06.2014) über die Bühne.

Oder sagen wir besser: es fand statt. Denn genau, dass es NICHT über die Bühne ging, erschien mir hier so attraktiv. Etwas bescheidener, schlichter und fokussierter erschien es mir. Etwas mehr aufs Wesentliche reduziert. Sprich: Idylle, schöne Kulisse, Feuerbrennen. Tiroler Schmankerl. Auf die Musik von den „ZIGA MANDA“ könnte ich hingegen persönlich verzichten. Aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Und Gelassenheit und Toleranz waren auch noch Eigenschaften, die ich mir angewöhne musste.

Versprach ich mir zu viel vom Sonnwendfest im Kaiserwinkl? Projizierte ich mein Sehnsucht nach Glück und Zufriedenheit nach außen und erwartete mir die Lösung von einem Sonnwendefest? Ich weiß schon: Die Antwort darauf würde jeder Küchen-Psychologe, der ein bisschen Paolo Coelho gelesen hatte, schnell parat haben: Glück kann man nur individuell finden und der Schlüssel zum Glück liegt in dir. Mag sein. Aber mir ist das zu einfach. Ich glaubte fest daran, dass es einen äußeren Anstoß dazu brauchte. Und das Sonnwendfest im Kaiserwinkl kam mir aus irgendeinem Grund als guter Anlass dazu vor.

Ob es funktionieren würde? Ich würde sehen. Einen Versuch ist es jedenfalls wert. Und wenn es nicht funktionierte dann blieb mir immer noch der Walchsee, der, nachdem ich dort meine halbe Kindheit verbracht hatte, ein absoluter Sehnsuchts- und Seelenort für mich war. Sprich: ein Ort, an dem ich mich wohlfühlte und mich wieder an meine Kindheit erinnern konnte, in der alles anders war. Eine Zeit, in der ich in den Tag hinein lebte und die Gegenwart als das einzig wirklich existierende Zeit kannte.

Eine Reise in den Kaiserwinkl ist für mich immer auch eine Reise zurück in die Kindheit, die mir als Zeit ohne ernsthafte Melancholie erscheint. Was aber wiederum auch an der Verklärung meiner Kindheit liegen konnte. Wer weiß das schon so genau: Das Kaiserwinkl würde aber, da bin ich fast sicher, Klarheit bringen. Beim Sonnwendfest und darüber hinaus. Kaiserwinkl, mein Sehnsuchtsort.

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Von in Tirol