Der „Bike-Park“ in Serfaus-Fiss-Ladis: Mehr als nur „mit dem Radl da“

„Ja, mir san mitn Radl da“ war gestern. Dieses nette Liedchen propagierte einen eher gemütlichen Zugang zum Radfahren. Ein wenig mit der ganzen Familien durch die schöne Landschaft geradelt, ein bisschen erschöpft dann später im Hotel oder sonst wo angekommen. Schluss mit dieser trügerischen Gemütlichkeit und Beschaulichkeit. Der Bike-Park Serfaus-Fiss-Ladis hat einen ganz anderen Begriff vom „Radlfahrn“ – oder zumindest einen wesentlich breiteren und differenzierteren Zugang zu diesem Thema.

Ich bin ehrlich. Denn Ehrlichkeit ist eine Tugend: Dieses ganze „Gebike“ und diese ganzen Bike-Trails in Tirol sind mir reichlich suspekt. Mein Kontakt mit dieser Art von Sport und Freizeitbeschäftigung ist leicht beschrieben. Eines Tages ging ich, Familienvater, langweilig und unsportlich wie ich nun einmal bin, mit der ganzen Familien zu einem Spielplatz in Innnsbruck. Sagen wir mal Region Hungerburg. Naiv und unwissend wie ich bin, wusste ich nichts davon, dass gleich neben dem Spielplatz ein Mountainbike-Trail (ich hoffe man nennt das so) verlief.

Kurz gefasst: Ich konnte aus nächster Nähe den einen oder anderen Sturz mit ansehen. Und hatte auch hin und wieder Sorge, dass mir jemand in den Rücken springt. Obwohl es zu dieser Angst eigentlich keinen konkreten Anlass gab, wich ich den sportlichen Mountain-Bikern besser mal ein paar Meter aus. Sicher ist sicher. Und aus sicherer Distanz lässt sich auch besser beobachten.

Mit der Entfernung zu diesem Spektakel und zu diesen Menschen, die sich auf diese todesmutige Weise die Trails hinunter stürzten, wuchst auch die Befremdung und das Gefühl, dass das eine ganz andere Welt als die meine war. Eine Welt, die irgendwie abenteuerlicher als meine Welt war, in der mir das neue Wolfgang Muthspiel Album mehr als genug Abenteuer war.

Du musst dein Leben ändern, oder: Der Bike-Park Serfaus-Fiss-Ladis

Das etwas gediegene Motto von André Heller, dass die wahren Abenteuer im Kopf seien, war zu einer Grundhaltung von mir geworden. Vielleicht ist das automatisch so, wenn man Familienvater ist? Legt man sich dann automatisch ein wenig sicherere Hobbies zu, bei denen wenig passieren konnte? Oder war ich schon von jeher lieber auf meinem Lesestuhl gesessen als auf dem Mountainbike – oder war ich in den letzten Jahren ein wenig zu langweilig und zu unsportlich geworden?

Jedenfalls diente mir eine Aussage von einem Bekannten immer wieder als Ausrede, der einst meinte, dass er es nicht verstehe, wie man sich mit dem Bungee-Seil hunderte Meter in die Tiefe stürzen könne. Ein Besuch im Konzertsaal bei der richtigen Musik sei mehr Abenteuer. Ein Abenteuer im Kopf und ein Abenteuer für die Ohren sei immer abenteuerlicher als ein Abenteuer, das eigentlich nur den Kick versprach.

Kurzer Kick: Schön und gut. Aber ein gutes Stück Musik hielt länger an und war nicht nur für die Euphorie und den Adrenalin-Pegel zu haben, sondern wirkte oft noch Stunden nach dem Konzertbesuch nach. Ich hatte jedenfalls das Gefühl, dass dieser Bekannte von mir absolut Recht hatte. Jedenfalls hatte ich seine Aussagen nie ernsthaft angezweifelt.

Erst durch das beschriebene Erlebnis war ich ins Grübeln gekommen. Vielleicht verhielt es sich ja so: Im Konzertsaal bei guter Musik konnte man Abenteuer erleben. Aber das Abenteuer wurde problematisch, wenn man es sich in diesem allzu gemütlich eingerichtet hatte und wenn man folglich nur mehr glaubte, dort das Abenteuer zu finden und nirgendwo sonst. Anders gesagt: Es braucht öfter mal etwas neues, um nicht einzurosten und damit die eigenen Haltungen nicht zu starren Dogmen wurden.

In all diese Überlegungen und Gedanken hinein, die sich über mehrere Tage zogen (ich habe hier jetzt einmal mal das Destillat daraus wiedergegeben), platzte der begeisterte Bericht über den Bike-Park in der Region Serfaus-Fiss-Ladis. Das wäre jetzt nicht weiter bemerkenswert gewesen, wenn es sich dabei nicht um einen Freund handeln würde, der bis dahin sportlich nicht weiter auffällig war, sondern auch eher ein Musik-Nerd, dem eine Runde Radfahren den Inn entlang schon Sport genug war.

Doch jetzt berichtete er mir ganz aufgeregt, dass seine Fahrt über einen Trail im Bike-Park in der Region Serfaus-Fiss-Ladis abenteuerlicher gewesen wäre als das letzte Konzert von Mary Halvorson. Seine Augen leuchteten geradezu, sodass ich geneigt war ihm zu glauben. Er sprach die (subjektive) Wahrheit. Und seine Ausführungen ließen mich daran denken, ob ich es nicht auch einmal versuchen sollte.

Was gab es also im Bike-Park Serfaus-Fiss-Ladis? Was hatte dieser Bike-Park, was andere ähnliche Angebote in Tirol nicht hatten? Offenbar ein breites Angebot, das auch Leute wie mich ins Boot holen wollte. Oder besser gesagt aufs Rad. Die „Family Line“ wäre wohl gerade noch mal so wenig abenteuerlich, dass da sogar ich heil ins Tal runter kommen würde. Da war ich (fast sicher). Stück für Stück konnte man sich dann über die Schwierigkeitsgrade blau + bis hin zu schwarz vorarbeiten.

Ich war so motiviert, dass ich mich dieses mal zumindest bis blau + vorarbeiten wollte. Ich wollte nicht aufgeben wie damals in der Schwimmwoche in der Schule, wo es gerade mal zum „Freischwimmer“ reichte. Jetzt würden Nägel mit Köpfen gemacht werden. Wenn notwendig auch mit MP3-Player und dem aktuellen Album von Wolfgang Muthspiel, das auf den schönen Namen „Driftwood“ hörte, was auf Deutsch so viel wie Treibholz bedeutete.

In meiner momentanen Euphorie interpretiert ich auch das zu meinen Gunsten: Ich musste mich wieder in Bewegung setzen, mein altes und lieb gewonnenes Leben ein wenig herausfordern. Ich musste in Bewegung geraten, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich musste sportlicher werden. Ich musste, mit Rilke gesprochen, mein Leben ändern. Aber, um dabei ein bisschen bei der Wiener Gemütlichkeit zu bleiben, nur ein bisserln. Nicht gleich alles auf einmal. Ein bisschen Radfahren im Bike-Park Serfaus-Fiss-Ladis konnte da nicht schaden.

Vielleicht würde ich dann auch den Mut haben, mehr als nur ein bisschen zu ändern. Und vielleicht würde ich als fahrradbegeisterter sportlicher Super-Typ wieder geboren und als solcher zuhause zurückkehren. Wer weiß. In der Region Serfaus-Fiss-Ladis ist alles möglich.

Der „Bike-Park“ in Serfaus-Fiss-Ladis: Mehr als nur „mit dem Radl da“
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Von in Tirol