St. Georgenberg: Wenn das Geld im Kasten klingt…

Keine der vielen Tiroler Wallfahrtskirchen verkörpert so unmittelbar den legendären Pilger-Satz des Wilhelm Busch wie St. Georgenberg bei Schwaz: „Hoch von gnadenreicher Stelle winkt die Schenke und Kapelle“.

Um ehrlich zu sein: neben der Tatsache einer unvergleichlichen Lage von St. Georgenberg hat meine Kurz-Wallfahrt einen sehr profanen Grund. Ich tanke etwas Kondition für meine heurige Pilgerfahrt auf dem Jakobsweg von Toulouse nach Puente la Reina auf der Via Tolosana. Unter dem Arbeitstitel ,lockeres Einpilgern‘ besuche ich daher einige der schönsten Berg-Kirchlein in Tirol. Also machte ich mich kürzlich auf einen Weg, den jährlich tausende von Wallfahrer_innen zurücklegen. Entweder durch die Wolfsklamm bei Stans oder den Waldweg von Fiecht aus nach St. Georgenberg. Das man übrigens erst nach der Überschreitung eines kühnen Bauwerks, die ,Hohe Brücke am Stallenbach‘ erreicht.

Man sollte wissen, dass dieser Gebäudekomplex auf 898 m Seehöhe der eigentliche Ursprung des Benediktiner-Stiftes Fiecht ist. Der Gründungsmythos dieser vielleicht bekanntesten Wallfahrtskirche Tirols ist einigermaßen verwirrend und hört sich sehr profan an. Trotz allem aber haben Schenke und Kapelle auf einem steil aufragenden Felskegel ihre magische Anziehungskraft bis heute nicht verloren. Die Gründung hingegen könnte gar auf einen frühmittelalterlichen Wehrdienstverweigerer zurückgehen. Um die Mitte des 10. Jahrhunderts soll sich ein Mann namens Rathold von Aibling in die Gegend des heutigen Georgenbergs zurückgezogen haben. Angeblich – so die Fama – wollte dieser den Kriegszug der Bayern gegen die Ungarn nicht mitmachen, desertierte offensichtlich und wurde sicherheitshalber Einsiedler. Weit weg von allen menschlichen Behausungen. Die vor allem finanziell interessanten Buß- und Pilgerfahrten setzten alsbald, vermutlich aber im 11. Jahrhundert massiv ein. Nach einem verheerenden Brand 1284 und den damit verbundenen Einnahmenausfall erfolgte 1310 – dem Himmel sei dank – prompt ein ,Blutwunder‘. Worauf die Pilger- und Wallfahrerströme einem neuen Höhepunkt zustrebten. Solche Blutwunder sind vor allem vom spanischen Jakobsweg her bekannt und dürfen schon damals importiert und Teil genialer Marketingstrategien gewesen sein.

Im konkreten Fall überkamen angeblich einen Priester in St. Georgenberg Zweifel, ob die Verwandlung von Wein in das Blut Jesu tatsächlich erfolge. Worauf der gewandelte Wein Farbe, Geruch und Geschmack von Blut annahm. In ein Glasröhrchen gefüllt, wird es den Gläubigen sogar heute noch in einer speziellen Monstranz gezeigt. Nicht genug damit: Auch ein dem Hl. Georg zugeschriebener Oberarmknochen sorgte damals für einen regelmäßigen Wallfahrer- und Finanzstrom. Der bis heute anzuhalten scheint.

Denn überrepräsentiert, ja quasi formatfüllend ist die ‚Schenke‘. Folgt er /sie dem Weg zum höchsten Punkt steht der staunende Pilgersmann / die staunende Pilgersfrau unversehens vor der Eingangstüre des profanen Restaurants. Keine Rede von Kontemplation, klösterlicher oder wallfahrerischer Ruhe. Der Duft fetthaltiger Speisen erfüllt die Luft. Und: die Terrasse mit Blick auf Wald und Flur ist selbstredend Teil der Schenke. Konsumzwang quasi als Eintrittskarte. Was mich aber an St. Georgenberg zudem ganz besonders gestört hat: schon hunderte Meter vor Erreichen der gnadenreichen Stelle wabert unsäglicher Pommes-Frittes-Duft durch den grünen Tann. Eigentlich unfassbar. Und dann noch etwas: Während die Gasthausbesucher die Aussicht quasi bezahlt genießen können, müssen sich die wahren Pilger mit

Sitzgelegenheiten zufrieden geben, die mehr schlecht als recht an der Nordseite der Kirche in den Hang geschlagen worden sind. Aussicht: Null. Komfort: Null. Offenbar muss in St. Georgenberg erst das Geld im Kasten der Schenke klimpern um die wunderbare Aussicht genießen zu dürfen. Nur gut, dass sich zumindest der Hauptsitz der Benediktiner seit 1709 im Tal, in Fiecht befindet. Weitab des penkuniären Treibens in luftiger Höh‘ auf St. Georgenberg.

P.S.: Für Jakobspilger noch interessant: Die Lindenkirche zu St. Georgenberg – abseits von Schnitzel, Pommes und Kaffee – soll auch auf Rathold zurückgehen. Er habe ein in Santiago de Compostela erworbenes Marienbildnis unter einer Linde angebracht heißt‘s in der Legende.

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Von in Tirol