In der Wildschönau braut sich was zusammen

Ich weiß nicht genau, wann es passiert ist. Aber irgendwann schien der breiten Masse der Geschmack abhanden gekommen zu sein. Vermutlich auch deshalb, weil wir jetzt schon bereits seit sehr langer Zeit mit Industriebier überflutet wurden und unser Geschmack und unsere Lust auf Vielfalt und Abwechslung sukzessive nivelliert worden ist. Doch es regt sich Widerstand. Zum Beispiel in der Wildschönau.

Es ist ja eigentlich eine Milchmädchenrechnung. Wenn etwas Mainstream wird und fast schon alternativlos scheint, dann regt sich Widerstand. Wenn überall der Bier-Einheitsgeschmack vorherrscht, dann werden bald die kleinen, widerständigen Brauereien wie Pilze aus dem Boden schießen. Im Moment kann noch nicht von einer Flut an Klein- und Kleinstbrauereien gesprochen werden. Aber es tut sich was. Das hat auch schon das Magazin „Falstaff“ bemerkt, das es ja nun wirklich besser wissen muss. „Experimentierfreude und Entdeckergeist herrschen an den Sudkesseln des Landes. Wo bislang die mild-süffigen Standardrezepturen mit Gerstenmalz, Hopfen und Hefe dem Wasser beigemengt wurden, lassen junge Brauer nun ihrer Kreativität freien Lauf.“

Es gibt also Hoffnung, dass die sehr lange Zeit von einfallslosen Brauereien, welche die immer unkritischer werdenden Masse an Biertrinkerinnen und Biertrinkern mit ihrem geschmacklich standardisierten Bier versorgen, langsam aber sicher vorbei ist. Zumindest aber war klar, dass es einen Gegentrend gab. Und dass dieser Gegentrend auch immer mehr Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein Satz aus dem Falstaff gefällt mir in dieser Sahe noch besonders gut: „Es gilt also, Bier neu zu schmecken, neu wahrzunehmen.“ Ein wichtiger Punkt: Es genügt nicht, wenn sich Klein- und Kleinstbrauereien formieren und in ihrer Vermarktung immer professioneller wurden.

Vor allem braucht es Menschen, die den Geschmack von Industriebier satt haben und die sich auf neue Geschmäcker einlassen können und wollen. Und die vielleicht auch mal in Kauf nehmen, dass es ihr Lieblingsbier nicht im Supermarkt um die Ecke zu kaufen gibt. Für gutes Bier von einer kleinen, aber sehr feinen Brauerei fährt man auch mal ein paar Kilometer. Denn oft ist der Bierkonsum eng mit dem Art der Brauerei verbunden. Regionalität ist hier Trumpf. Regionalität bedeutet hier nicht Provinzialität, sondern Vielfalt. Auch in der Wildschönau entdeckte ich kürzlich eine sehr interessante Kleinbrauerei, die ganz in der Traditionslinien des „Craft-Beer“ zu verorten ist.

Von den USA bis in die Wildschönau: Die Geschichte des „Craft-Beer“

Dazu ist es wichtig ein wenig über die geschichtlichen Hintergründe des „Craft-Beer“ zu erfahren. Ein gewisser Fritz Maytag saß 1965 in seiner Lieblingskneipe „Old Spagetti Factory“ und musste erfahren, dass seine Lieblingsbrauerei, die „Anchor Brewing Factory“ kurz davor war, den Bach runter zu gehen. Maytag war offenbar ein spontaner Mensch, der dazu auch noch ein bisschen Kleingeld übrig hatte: Er kauft die Brauerei kurzerhand und rettete sie damit. Es war deutlich: Die kleinen Brauereien waren zu dieser Zeit schon lange in der Krise. Die Krise der kleinen Brauereien zu dieser Zeit war maßgeblich von der Prohibition verschuldet.

Bis in die 20er Jahre gab es eine Vielzahl von sogenannten „Mikrobrauereien“. Die großen Brauereien hatten die Prohibition mit dem Verkauf von allerhand anderen Dingen „ausgesessen“. Sie verkaufen Käse, Ginger Ale oder Eiscreme. Im bald darauf folgenden Krieg leisteten die großen Brauereien ganz offenbar sehr gute Lobbyarbeit und versorgten ihre Soldaten mit Bier. In den 50er Jahren wurden die Brauprozesse automatisiert, bald darauf, 1963, die Aluminiumdose erfunden. Es war also klar, wo die Bierindustrie die Biertrinker haben wollte: Mit einem billigen Bier, das eigentlich im besten Fall mittelmäßig schmeckte  auf der Couch. Menschen wie Fritz Maytag leisteten da Widerstand, brauten ein ordentliches Bier und erhielten letztlich auch die regionalen Strukturen. Er wurde damit zur Gallionsfigur und zum Aushängeschild dieser Bewegung.

Nun muss man die Entwicklungen in Österreich oder in Tirol ja nicht zwingend mit den Entwicklungen in den USA vergleichen. Aber in dem Geist der „Craft-Beer“ Bewegung stehen auch einige Brauereien in Tirol. Natürlich mit ihren je eigenen Besonderheiten und regionalen Gegebenheiten. Auch die Wildschönau lädt dazu ein, Bier neu zu schmecken und neu wahrzunehmen.

Die Wildschönau Brauerei macht ihre Sache mehr als gut. Zahlreiche begeisterte Rückmeldungen, die mir zu Ohren kamen, bestätigen das (ich war leider noch nicht dort, werde das aber bald ändern!). Fragt man hier die Chefs nach dem Grund, warum sie diese Brauerei hier in der Wildschönau aus der Taufe gehoben haben, dann bekommt man eine Antwort wie, dass man das ganz sicher nicht wegen des Profits gemacht habe, sondern um der Region, die einem so wichtig sei, etwas zurückzugeben. Ein wichtiger Punkt, wie ich finde.

Brauereien wie diese in der Wildschönau bieten nicht nur ein herrliches Bier an, das sich gekonnt dem Einheitsgeschmack der Industriebiere widersetzt. Vielmehr ist eine Mikrobrauerei wie diese in der Wildschönau aber auch ein Versuch, die regionalen Strukturen zu erhalten. Der Biergenuss ist auch eng mit der Region verbunden. Am besten sollte man dort einkehren, zum Beispiel nach einer langen, ausgiebigen Wanderung in der Wildschönau und sein Bier in der Brauerei vor Ort genießen. Dort kann man nicht „nur“ gutes Bier genießen, sondern auch gut essen.

Mit jedem Schluck genießt man dort jedenfalls nicht nur ein großartiges Bier, sondern unterstützt auch, dass es wieder mehr kleinteilige Strukturen, mehr Regionalität und mehr geschmackliche Vielfalt in Sachen Bier gibt. Aus meiner Sicht mehr als nur wichtig. Ich persönliche habe die Schnauze gründlich voll von Dosenbier aus dem Supermarkt. Es lebe der Geschmack und es lebe die Vielfalt in Sachen Bier! Nicht umsonst hat Armin Wolf, und der ist ja nun wirklich oft am Puls der Zeit, vor einiger Zeit gemeint, dass Bier der neue Wein sei. Stimmt. Denn Bier kann auch anders schmecken, als wir es gewohnt sind. Es lohnt sich zu suchen. Nach kleinen Brauereien, die es auch in Tirol gibt. Und es lohnt auch, der schönen Wildschönau demnächst einen Besuch abzustatten. Die Bilder, die ihr über den Text verteilt seht, machen da vielleicht schon mal Lust und Laune darauf. Und durstig!

In der Wildschönau braut sich was zusammen
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Von in Tirol

  • Mike Dyna

    In Schwoich ist das Stöfflbräu zu empfehlen.