Wellness im Kaiserwinkl: Indien am Walchsee?

Wisst ihr eigentlich, wo Indien liegt? Jetzt werdet ihr sagen: Hält er uns für komplett bescheuert, debil oder gar für unzurechnungsfähig? Das ist ja wohl mit die blödeste Frage, die ich bisher je gestellt bekommen habe! Aber die Antwort auf diese Frage ist gar nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint. Denn Indien liegt, zumindest temporär, auch am Walchsee, direkt im Kaiserwinkl. Häh, werdet ihr jetzt sagen. Bitte habt Geduld.

Um das kleine Rätsel zu lösen, das ich euch hier jetzt gestellt habe und um zu des Pudels Kern zu gelangen, müsst ihr erst einmal ein paar Begriffe und deren Bedeutung lernen. Ihr werdet sie im Verlauf des Textes brauchen. Vor allem die Wörter „Ayurveda“ und „Abhyanga“ werden von größter Wichtigkeit sein. Der Begriff Ayurveda wird vielleicht einigen von euch geläufig sein. Darunter können wir uns, ein wenig frei und salopp übersetzt, das „Wissen vom Leben“ vorstellen.

Ein wenig genauer bezeichnet bekommen wir es hier mit der traditionellen indischen Heilkunst zu tun. Dabei handelt es sich  um eine Art Gesamtpaket: Sowohl Massagen, als auch die Ernährungslehre wie auch ein bisschen Yoga und Pflanzenheilkunde sind da inbegriffen. Es wird also nicht reichen, wenn ihr euch ein wenig auf die Massageliege legt und euch eine Ayurveda-Massage gönnt. Obwohl das viele natürlich genau auf diese Weise praktizieren. Ein wenig Ayurveda ist ja immerhin besser als gar kein Ayurveda, oder?

Seit wann liegt Indien am Walchsee im Kaiserwinkl? 

Jetzt wo wir wissen, was Ayurveda ist oder sein sollte können wir uns zum Begriff Abhyanga weiterhandeln. Auch hier handelt es sich um eine ayurvedische Massage, die bei uns auch unter der eingedeutschten Formulierung „die große (ayurvedische) Einölung“ bekannt ist. Mit erwärmten Pflanzen-Ölen wird man hier so richtig eingeölt. Nicht nur von Kopf bis Fuß sondern von Fuß bis Haar. Auch die Haare werden eingeölt.

Laut dem guten alten K.R. Srikantha Murhty sollte diese Massage täglich ausgeführt werden. Schließlich hat sie eine nicht unbedeutende Wirkung: Sie soll Alter, Anspannung und noch so manches mehr vertreiben. Ausgeführt wird diese Massage in den Ursprungsländern Indien und Sri Lanka von zwei Masseuren. Es handelt sich also um eine Synchronmassage.

So, jetzt aber wirklich genug gelernt für heute. Ihr habt es euch verdient die Lösung des Rätsels zu erfahren. Ihr ahnt es ja ohnehin schon: Am Walchsee setzt man an gleich mehreren Orten auf die beiden erwähnten Verfahren und Massagen. Meist aber in eher reduzierter und „verwestlichter“ Form. Zumeist weit und breit keine Spur von Synchronmassage, Ganzheitlichkeit oder gar die Umsetzung von Ayurveda in der beschriebenen Fülle und Vielfalt.

Die Ayurveda-Massagen in so manchem Hotel ist definitiv eine Ayurveda-Massage light. Ayurveda für Europäer, die sich ein wenig entspannen wollen und dabei auch noch ein wenig den Zeitgeist der „fernöstlichen“ Philosophie mitnehmen möchten. Alles garniert mit ein bisschen Buddha und ein wenig vor sich in plätschernder Wellness-Musik. Ein Misch-Masch der Kulturen, der Philosophien, so lange durchmischt, bis nur mehr schwammige Esoterik dabei herauskommt.

Die Frage ist dabei einfach: Warum braucht´s den „fernen Osten“ am Walchsee? Gibt es nicht genug Möglichkeiten sich massieren oder sonst wie behandeln zu lassen? Gibt es nicht auch das überlieferte Wissen der Natur, die uns umgibt und die uns genauso gut tut? Gibt es nicht genug Kräuter oder was weiß ich, die genau so Wellness sind wie Ayurveda und Co.? Noch dazu wenn diese fernöstliche Praxis eh nur so Husch-Pfusch verwässert ausgeführt wird?

Nichts gegen die Vielfalt in Sachen Wellness. Aber mir scheint die Popularität von Ayurveda & Co. darauf zu basieren, dass diese Angebote exakt die Sehnsucht nach semi-spirituellen Sinnangeboten befriedigen, die auch im Alltag vorherrschen. Religiös sind wir ja alle nicht mehr wirklich, zumindest nicht im christlichen oder gar katholischen Sinne. Aber irgendwie spirituell, ja das schon. Die Suche nach wie auch immer gearteten Sinn und Transzendenz setzt sich auch auf der Ebene von Wellness und Massagen vor. Wo ist die hin, die gute alte, bodenständige Sportmassage? Massage im Heute muss mehr können, sie muss auch unsere „Seele“ streicheln.

Ich persönliche brauche fernöstliche Massage am Walchsee im Kaiserwinkl genau so sehr wie ich das Oktoberfest in China brauche. Und wenn dann, dann richtig und authentisch. Dieses ganze verwässerte, dem Wellness-Trend angepasste Esoterik-Massagen-Zeug kann mir gestohlen bleiben. Fairerweise muss man sagen, dass sowohl im „Hotel Schick“ als auch in den „Verwöhnhotels“ auch andere, „bodenständigere“ Massagen angeboten werden.

Was meint ihr dazu? Braucht es Indien am Walchsee? Oder mögt ihr euren Wellness-Urlaub doch lieber ganz klassisch, bodenständig und regional?

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Von in Tirol