Die Diamanten des Zillertales

Ich bin nicht der Einzige, der sich den Kopf darüber zerbricht: Weshalb sind die Zillertaler so gute Händler? Und weshalb sind sie alle so gute Sänger? Sind sie auf die Butterseite des Lebens gefallen oder was? Aber jetzt taucht ein Beleg aus dem Dunkel der Vorgeschichte auf, der mithelfen könnte, dieses Geheimnis zu lüften.

Es geht um seltene Steine, die hoch in den Zillertaler Alpen zu finden sind. Ich werde es mir beim nächsten Kurzurlaub im Zillertal jedenfalls nicht entgehen lassen, nach diesen ,Diamanten der Steinzeit‘ zu forschen, auf die das Handelstalent der Zillertaler ganz offensichtlich zurückzuführen ist. Und ich hoffe natürlich auch, in meinem erklärten Lieblingshotel Waldfriede zu Fügen noch weitere, vielleicht entscheidende Hinweise zu erhalten.

Der Hintergrund

Denn kürzlich fiel mir eine Veröffentlichung der Universität Innsbruck in die Hände, wonach Menschen schon in der mittleren Steinzeit die Gegend um den Olperer sehr gut gekannt hatten. Man möchte es nicht für möglich halten: Vor 8.000 Jahren durchstreiften offenbar mesolithische Jäger das hintere Zillertal nicht nur, um dort Tiere zu jagen. Vor allem auch, um einen wundersamen Stein zu suchen, den man in dieser Gegend dann lange ,Karfunkelstein‘ genannt hat: den Bergkristall. Quasi der Diamant der Alpen.

Da ich dies kaum glauben konnte wandte ich mich zur Sicherheit an Univ.Prof. Dr. Walter Leitner, der eine prähistorische Abbaustelle für Bergkristall in den Tuxer Alpen nachweisen kann. Also quasi eine Bergkristall-Mine in schwindelnder Höhe gefunden hat. Er sei vom bekannten Zillertaler Mineraliensammler Walter Ungerank vor Jahren auf diese mögliche Abbaustelle aufmerksam gemacht worden, sagt Leitner.

Funkelndes Werkzeug der Steinzeitjäger

Am sogenannten Riepenkar am Südfuß des Olperers entdeckten die Innsbrucker Archäologen eine bis zu 15 m lange Quarzkluft, die es in sich hatte. Dort, auf stolzen 2.800 m Seehöhe, schlugen die Steinzeitmenschen vor Jahrtausenden schon mit sogenannten Klopfsteinen die Kristalle aus dem Fels. Um daraus Klingen, Pfeilspitzen, Kratzer, Bohrer und Sticheln zu fertigen. „Allesamt Gerätschaften, die die steinzeitliche Gesellschaft bestens kannte, allerdings wurden sie meistens aus Feuerstein hergestellt“, bemerkt Leitner.

Aber weshalb ausgerechnet aus Bergkristall, der spröde ist und nur schwer bearbeitet werden kann? Leitner: „Es stimmt, er ist spröde und splittert willkürlich“. Der Grund für die Beliebtheit der glasklaren, funkelnden Steine war ein anderer. Es war die Optik und die Seltenheit. Leitner: „Diese Wertschätzung ist bis heute ungebrochen, denn wer kommt nicht gerne in den Besitz eines glänzenden, durchsichtigen Minerals?“ Das auch noch ausschaut wie heutige Diamanten?

Bergkristallstraße

Die Vorstellungen von Schönheit und Ästhetik waren sicher schon vor Jahrtausenden ähnlich ausgeprägt wie heute. Steinzeitliche Funde belegen, dass Bergkristall als Schmuck und Kultobjekt verwendet worden war und hoch im Kurs stand. Bergkristall war also prestigeträchtig. Und deshalb wurde auch am Riepenkar mit größter Wahrscheinlichkeit vor Jahrtausenden Sommer für Sommer bereits eifrig gerackert. Denn Bergkristall bedeutete sozialen Aufstieg. Und wer Bergkristall abbaute, konnte damit Handel treiben. Jedenfalls vermutet Leitner anhand weiterer Fundstellen von

Kristallgegenständen gar eine ,Bergkristallstraße‘. „Unsere Funde von Geräten aus Bergkristall erstrecken sich entlang eines prähistorischen Höhenweges, der in Richtung Norden bis in das Rofangebirge am Achensee und in südlicher Richtung bis an den Gardasee reicht“, sagt Leitner. Und da es in diesen Regionen keine natürlichen Vorkommen von Bergkristall gibt, muss Tauschhandel stattgefunden haben.

Und hier schließt sich meine Überlegung:  Denn der vor 8.000 Jahren offenbar gängige Bergkristallhandel ist letztlich ein handfester Beleg dafür, dass das heute noch sehr ausgeprägte Talent der Zillertaler zu Handeln damals begründet worden war. Und mit diesem Talent stets verbunden war Wohlstand und Zufriedenheit. Ein Umstand, der die Sangesfreude der Bevölkerung im Zillertal sicher angespornt hat. Und damit wär‘ die Herkunft von gleich zwei ‚Urzillertaler‘ Eigenschaften geklärt, der Fisch sozusagen geputzt. Oder etwa nicht?

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Von in Tirol