Das Tannheimertal: Eine geballte Dosis Schönheit

Man kann nur darüber spekulieren, warum wir uns derart oft und gerne auf Wanderschaft begeben. Ich habe da so eine Vermutung. Denn wer mich kennt, der weiß, dass ich niemals um die eine oder andere These und Behauptung verlegen bin. Vor allem anhand des Themas „Wandern im Tannheimertal“ lässt sich meine These ganz vorzüglich stützen und legitimieren. Seid ihr bereit? Haltet euch fest und macht euch mit auf den Weg in meine Gedankengänge – und im besten Fall auch schon mal bereit, demnächst dem Tannheimertal einen Wanderbesuch abzustatten.

Es gibt einen Menschen, der früher aus meiner Sicht sehr viele gescheite Sachen geschrieben und gesagt hat. Er hört auf den Namen Walter Benjamin. Doch keine Sorge: Ihr müsst euch jetzt nicht in das Gesamtwerk dieses Denkers einlesen um mir folgen zu können. Jedenfalls hat dieser die Figur des „Flaneurs“ ganz prominent in seinem Werk platziert. Der Flaneur in seinen Texten streift durch Paris, geht in der Masse unter, in dieser auf und gelangt letztlich zu der einen oder anderen klugen Beobachtung. All das hatte und hat auch viel mit einem Dandy zu tun, der sich „ausstellt“ und darstellt, der sich sehen lässt um seinen sozialen Status zu zeigen.

Er hat es nicht „nötig“ tagsüber hart zu arbeiten, sondern sein Stand erlaubt es ihm, ziellos durch die Stadt zu flanieren, nachzudenken und vielleicht den einen oder anderen klugen Satz zu Papier zu bringen. Anders gesagt: Die Stadt ist auch die Fortsetzung des Wohnzimmers und des Salons geworden. Das Gehen an sich ist ein Zeichen, sagt etwas über den Gehenden aus. Der Flaneur kehrt seine Lebenseinstellung, seine Kunst des Müßiggangs nach außen und macht diesen Lebensstil für andere Menschen sichtbar. Er ist Teil eines sozialen Geflechtes, in der er selbst reflektiert und urteilt. Und natürlich beurteilt wird.

„Einfach gehen“ im Tannheimertal

Meine Behauptung also, die an diesen kurzen Exkurs anschließt: Das Wandern ist ganz anders beschaffen. Es geht nicht mehr darum, dass man sich „ausstellt“ und in der Masse und der Anonymität der Großstadt untergeht, sondern dass man wieder zu sich und zu einem quasi natürlichen Zustand gelangt. Wer wandert, der versucht seinem sozialen Status zu entkommen. Beim Wandern sind alle Menschen gleich. Und nicht manche doch ein wenig gleicher. Beim Wandern grüßt man sich oft, meist freundschaftlich und „kollegial“. Man ist eine eingeschworene Gemeinschaft, die Unterschiede nicht einebnet, aber letztlich völlig überflüssig macht. Niemand wird dich nach deiner sozialen Herkunft oder nach deinem Beruf fragen. Beim Wandern zählt nur das Gehen, das Wandern selbst.

Und noch etwas gibt es, dem man beim Wandern entkommt: Beim Flanieren durch eine Stadt und mehr noch durch eine Großstadt, ist man ständig mit Geschichte konfrontiert. Man bewertet, analysiert und reflektiert die Stadt: Wie alt ist dieses oder jenes Gebäude? Was könnte dieser Mensch, der mir gerade über den Weg gelaufen ist, beruflich machen? Wann ist denn bitte diese Bausünde begangen worden? Kennt ihr das? Ich jedenfalls schon: in einer Stadt kommt der Geist nicht zur Ruhe. Er denkt, er reflektiert, oft auch schon ganz unbewusst. Er schätzt ein und kommentiert.

Wer sich fürs Wandern im Tannheimertal entscheidet, der hat genau das verstanden. Der hat sich entschieden. Für Ruhe, Erholung, für Stille. Dafür, seinen Kopf zur Ruhe kommen zu lassen. Für eine neue Qualität des „Flanierens“, das nichts mehr will und kein Ziel mehr hat, außer das Gehen und das Wandern selbst. Der hat sich entschieden für einen natürlichen Zustand, wo etwas noch unverstellt ist, das sonst von Häusern, Autokolonnen und ähnlichem verstellt ist: für einen Naturzustand.

Man könnte auch sagen: eine Überdosis Schönheit, die man als Städter erst einmal verdauen muss. Aber es gelingt euch, versprochen: Ihr müsst nur ein wenig abschalten, ausschalten und Wandern lernen. Gehen um zu vergessen, was einem der Alltag so alles an Druck und Rollen auferlegt. Wanderrouten dazu gibt es ohne Ende.

Warum also noch weiter durch die Straßen flanieren, wenn man alles auch schöner und entspannter auf einer neuen Ebene im Tannheimertal haben kann? Vermutlich wird euch keine Antwort einfallen. Und mir auch nicht. Ihr entschuldigt mich also? Ich bin dann mal weg. Ich hole mir meine geballte Dosis Schönheit und Natur im Tannheimertal und lasse die Stadt Stadt sein…

Das Tannheimertal: Eine geballte Dosis Schönheit
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Von in Tirol