Glück tanken am Pitztaler Gletscher

Wir sind schon manchmal benachteiligt, wir Stadt- und Talbewohner. Mir kommt es oft so vor, als würden wir zu sehr in allem verwickelt sein, zu sehr involviert in den Alltag. Eine Stadt hat ja immer auch die Eigenschaft, dass sie uns vereinnahmt und wir uns nur mit sehr  viel Mühe von dieser Umklammerung lösen können. Sprich: eine Stadt, so viele Vorteile das Leben in einer solchen auch haben mag, stresst uns immer ein wenig und treibt uns an. Und es ist relativ kompliziert, eine Perspektive einzunehmen, bei der man über den Dingen steht. Als Stadtbewohner ist man immer auch Stadtbenützer. Und die Frage ist letztlich, wer hier wen benützt und antreibt: Wir die Stadt oder die Stadt uns? Sind wir Teil der Stadt oder ist die Stadt ein Teil von uns? So leicht wird man diese Verwirrung und Verflechtung wohl nicht lösen können.

Und noch etwas blüht uns Stadtbewohner Tag  für Tag: Werbung weckt unsere Sehnsüchte nach anderswo. Tag für Tag. Immer wieder. Besonders eine Werbung schafft es bei mir fast jeden Tag den Wunsch zu wecken, mich einfach mal aus den Niederungen der Stadt in die Höhe zu begeben, den Alltag Alltag sein zu lassen und den viel beschworenen und besungenen Perspektivenwechsel zu wagen. Jetzt wollt ihr natürlich wissen, welche Werbung ich meine, oder? Na gut, ich möchte euch nicht länger auf die Folter spannen. Denn vielleicht ist euch diese eh schon selbst aufgefallen. Oder ihr habt zumindest schon mal was davon gehört. Es geht um das schöne Pitztal. Genauer noch um den Pitztaler Gletscher.

Im „Café 3.440“ am Pitztaler Gletscher…

Und ganz präzise geht es mir um das „Café 3.440“, das auf eben dieser Höhe weit über dem Alltag und über den Dingen thront. Und während ich wieder mal in der Stadt von Termin zu Termin hetze und es so wirkt, als ob mich die Stadt antreibt noch mehr Erledigungen, Termine und Arbeit in noch kürzere Zeit zu packen, träume ich davon, wie ich im „Café 3.440“ sitze und meinen Blick auf die mehr als 50 (!) Dreitausender richte, die das Café umgeben. Keine Frage. Das höchstgelegene Café Österreichs kann sich in Sachen Lage mehr als nur sehen lassen, weiß aber auch mit extravaganter Architektur zu gefallen. Und auch die Mehlspeisen, der Kaffee und die Kuchen sollen dort ganz und gar nicht von schlechten Eltern sein. Die Bilder in meinem Kopf waren jedenfalls eindeutig: Ich saß mit einer guten Tasse Kaffee und einem herrlichen Kuchen ganz ohne Laptop im „Café 3.440“, obwohl es dort natürlich WLAN gab, und ließ meinen Blick in die Ferne schweifen. Wie herrlich: keine Häuser, die meinen Blick fesselten. Nur Schnee, Stille und Weite. Der Blick wurde freier, befreiter.

Ein bisschen ausgleichende Gerechtigkeit scheint es aber dann doch zu geben. Das Wasser (Trink- und Nutzwasser) muss täglich mit Kanistern transportiert werden. Außerdem ist der Siedepunkt des Wassers auf dieser Höhe bei ca. 90 Grad angesiedelt, d.h. es braucht eine ganz individuelle Einstellung der Kaffeemaschinen. Auch das Bierzapfen ist in dieser Höhe eine ganz eigene Wissenschaft. Und auch die MitarbeiterInnen ermüden auf dieser Höhe schneller. Das „Café 3.440“ am Pitztaler Gletscher hatte also auch gewissen Tücken – zumindest für die Menschen, die dort arbeiteten. Dennoch: Ich konnte nicht anders als mir die Menschen, die an einem solchen Ort arbeiten durften, als glückliche Menschen vorzustellen. Und auch ich würde demnächst meine gehörige Portion Glück tanken, wenn ich dem „Café 3.440“ am Pitztaler Gletscher einen Besuch abstatten würde…

Glück tanken am Pitztaler Gletscher
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Von in Tirol