Wohnen im Wein – oder doch im Jagdhof?

Oftmals kommt es unerwartet. Und meistens auch anders als man denkt. Und oft denkt man noch nicht einmal daran. Und dann passiert es: Eine Überschrift, die einen trifft, verwundert und ein wenig stutzig macht. So jedenfalls geschehen im September letzten Jahres bei einer Bahnreise nach Wien. Plötzlich war sie da, ganz wie aus heiterem Himmel: „Wohnen im Wein“. Ein wenig gewagt das Wortspiel, zugegeben. Aber treffend – auch weil es mir einige Bilder wie Flausen in den Kopf setzte, die ich nicht mehr loswurde.

„Wohnen im Wein“, das sind Bilder von endlosen Weingärten in bester, sonniger Lage. Das ist aber auch schon die Vorahnung des Geschmacks von gutem Wein. Das ist ein Versprechen, dass es dort, wo man gerade nicht ist, besser ist. Und eine gute Flasche besten Weines dort auf einen wartet.

Doch meine Gedanken driften nicht nur ab und schweifen über die Weingärten, es mischen sich auch Erinnerungen an einen Aufenthalt im Jagdhof im Stubaital in diese Bilder mit ein. Und vielleicht, so denke ich mir immer wieder, war es das tatsächlich, was für mich subjektiv der Bedeutung der Überschrift in diesem Bahnmagazin am nächsten kommt. Wohnen in einem Hotel mit einem Weinkeller, der wirklich alle Stückeln spielt. In dem Erwartungen konstant entsprochen wird, aber, und da beginnt der Unterschied zwischen einem guten und einem großartigen Weinkeller, diese Erwartungen stets auch übertroffen werden.

Wohnen im Jagdhof mit Wein…

Ich bin ja sonst wirklich der letzte, der mit Zahlen und Fakten kommt. Schließlich habe ich nicht umsonst irgendetwas mit Literatur studiert, aber das hier ist einfach zu eindrucksvoll, um es unerwähnt zu lassen: rund 20.000 erlesene Weine lagern hier im Weinkeller. Schöne Erinnerungen standen für mich in engem Zusammenhang mit diesem Weinkeller. Und bevor ihr euch denkt, dass das irgendwie merkwürdig klingt und es mir nur ums trinken ginge, dann lasst euch eines gesagt sein: der Genuss eines guten Weines ist das exakte Gegenteil von trinken oder gar von betrinken.

Guter Wein ist die Lust am schmecken der feinen Unterschieden, das Feststellen von Differenzen in Sachen Qualität, Geschmack, Reife. Weintrinken ist die Lust am Nachgeschmack, am Abgang. Daran, wie der Geschmack des Weines langsam vergeht und doch immer noch als Ahnung präsent bleibt. Das ist für mich Genuss. Und das hört nicht beim Wein auf, sondern setzt sich im allerbesten Fall auch auf der Ebene der Kulinarikfort. Meine Erinnerungen an den Jagdhof flüsterten mir in dieser Hinsicht auch nur Lobeshymnen ins Ohr.

Mein Besuch im Jagdhof lag nun leider schon einige Monate zurück. Langsam verblassten meine Erinnerungen an meinen Aufenthalt ein wenig. Es war aber ganz ähnlich wie bei dem Abgang eines guten Weines. Denn bei einem guten Wein ist es eindeutig: Je anhaltender der Nachgeschmack, desto besser der Wein. Ergo: Je besser das Hotel, dessen Kulinarik und dessen Weinkeller, desto anhaltender die Erinnerung. An den Jagdhof dachte ich immer wieder mal gerne und sehr freudig zurück. Und manchmal dachte ich fast schon, den Geschmack der herrlichen Weine wieder auf der Zunge und am Gaumen zu haben.

Aber Erinnerungen musste man auch immer mal wieder auffrischen. Gerade jetzt im kommenden Frühling sollte der Jagdhof wieder Ziel eines verlängerten Wochenendes werden. Meine Liebe zu Wein, Kulinarik, Wellness und Natur verlangte es von mir. Ich würde der Versuchung demnächst nachgeben. Wieder wohnen mit und sozusagen „im Wein“. Guter Wein als Leitkategorie, als Anleitung zum ganzheitlichen Genuss der alle Lebenslagen einschließt und mit meint.

Wohnen im Wein – oder doch im Jagdhof?
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Von in Tirol