Wie viel Hund steckt im Tiroler Gröstl?

Tiroler Gröstl

Neulich war mir wieder einmal nach einem typischen Tiroler Gröstl zumute. Mein Magen konnte ärger nicht knurren, sodass ich dem Verlangen nach einer bodenständigen, schnell sättigenden Methode der Nahrungsaufnahme am liebsten sofort nachkommen wollte. So simpel das Gericht auch ist, gestaltet sich die Suche nach einer urigen Gaststube doch alles andere als einfach. Wo man auch hinsieht springen einem Schilder von Neueröffnungen ins Auge. Da eröffnet an der einen Ecke die hundertste Dönerbude und auf der anderen Seite lachen indische Schriftzüge potentielle Gäste an. So stellt sich also die Frage, wo denn der Hund begraben ist bei der Suche nach typischer Tiroler Hausmannskost.

Globales Denken ist gut, Lokalität ist besser

Nicht dass ich die indischen Speisen etwa nicht zu schätzen weiß, im Gegenteil! Ich versuche mich gerne an der internationalen Küche, vor allem am WEEKEND. Dabei stellt man sich jedoch die Frage, inwiefern die Authentizität der eigenen, bodenständigen Koch- und Esskultur erhalten bleibt oder eben dem neuen „way of eating“ Platz macht. Mir fallen nach genauerem Überlegen in meinem näheren Umfeld in Tirol schon die ein oder anderen Lokalitäten ein, wo Ambiente und Speisekarte sich die Hand geben. Als Urlauber oder nicht Ortskundiger dürfte man jedoch Probleme haben, ein urtypisches Beisl (Wirts- oder Gasthaus) zwischen bunten Girlanden, dreidimensionalen Plastikburgern oder -pizzen und Glitzerblingbling-Reklameschildern auf den Fassaden ausfindig zu machen. Der Kirchenwirt rückt meines subjektiven Empfindens nach immer mehr in den Hintergrund und schafft Platz für „Neues“. Aber ob Neues immer gut ist, sei in den Raum gestellt.

Die Frage nach der Kultur

Tirol ist bekannt dafür, seinen Touristen alles Mögliche und erst recht das Unmögliche zu kredenzen. Dabei sollte es doch so sein, dass gerade die Einzigartigkeit der Dialekte, der Berge, der Menschen und schon gar der Speisen unser größtes Aushängeschild ist. Stattdessen werden die Speisekarten immer ähnlicher. Das kann früher oder später nur zur Entfremdung der eigenen Kultur führen wenn nicht bald umgedacht wird beziehungsweise dazu angeregt wird. So will ich doch, wenn ich irgendwo auf Urlaub bin, auch die lokalen Köstlichkeiten – und wenn sie mir meiner wählerischen Anwandlungen auch gar nicht schmecken – kennen lernen.

Vor lauter Internationalisierung kann man schnell mal den Überblick verlieren.
Vor lauter Internationalisierung kann man schnell mal den Überblick verlieren. Was ist authentisch und was reiner Anpassungswahn?
Asia Dog (www.signelements.com)

Für mich ein Beispiel der missglückten Anpassung: Ich gehe in ein Running Sushi Lokal, das ja hauptsächlich Sushi oder vorzüglich japanische Spezialitäten anbieten soll. Bei fast jedem mir bekannten Restaurant dieser Art rollt aber wieder feinster Vanillepudding á la Packung, Cornflakes oder sogar Milchschnitten in mundgerechten Stücken wie eine Lawine westlichen Ungeschmackes auf mich zu. Hier stellt sich die Frage, ob es die Menge und Vielfalt macht oder doch die Qualität.

Hier also konkrete Fragen an die Allgemeinheit, das Gewissen und die Wirtsleute:

1. Ist es noch möglich, Tiroler Kost anzubieten?

Einerseits wird es dank einiger EU-Auflagen immer schwieriger gemacht, Vorschriften, Einschränkungen und Verhinderungen im Alltag eines Wirtes einzuhalten und hinzunehmen. Andererseits wird so die Spreu vom Weizen geteilt, die Harten setzen sich also durch. Dabei ist ergibt sich jedoch die nächste Frage, wie Härte zu definieren ist. Haben kleine Wirtshäuser so überhaupt noch eine Überlebenschance?

Gemütliche Gasträume müssen auch nicht immer dunkel sein. Gemütlichkeit sieht so aus! © Tiroler Wirtshaus
Gemütliche Gasträume müssen auch nicht immer dunkel sein. Gemütlichkeit sieht so aus! © Tiroler Wirtshaus

2. Wissen wir die gute alte traditionelle Küche überhaupt noch zu schätzen?

Weiß ein Kind heutzutage noch, was Hausmannskost ist? Ich habe unlängst ein Kochbuch für die Hochzeit einer Freundin zusammen gestellt. Gesammelt wurden Rezepte von Bekannten, Verwandten, in erster Linie kleine und junge Familien mit Kindern. Ich lüge nicht wenn ich sage, dass von 30 Anleitungen zum Kochen nur an die 5 dabei waren, die kein Fertigpäckchen (z.B. für Saucen und Co) verwendet haben. Ich musste an meine Kindheit denken, in der meine Mutter nur frische Zutaten verwendet hat. Aber Zeiten ändern sich und ob dies immer Verbesserung mit sich bringt, ist anzuzweifeln. Was würden einige dafür geben, einmal nicht selbst (die nächste Päckchensuppe) kochen zu müssen, und sich im Traditionswirtshaus ihres Vertrauens mit Gröstl inklusive Fleisch bester Qualität, hauseigenen Kräutern und selbst produziertem Holundersaft oder einem waschechten Tiroler Bier, verköstigen zu lassen. Als krönenden Abschluss gibt es dann vielleicht auch noch ein Schnapserl für die Verdauung.

Für mich besonders wichtig: Die Tiroler Gastlichkeit! © Tiroler Wirtshaus
Für mich besonders wichtig: Die Tiroler Gastlichkeit! © Tiroler Wirtshaus

Ich bin nicht ein(e) aus der kulinarischen Bibel entsprungener Gesundheitsapostel(frau). Gibt es dafür eigentlich eine weibliche Form? Wohl eher nicht…  Aber ich will meine Liebe zur Tiroler Gemütlich- und Geselligkeit sowie der Esskultur nicht an Fastfood-Ketten im Einheitslook, den so genannten Schachtel-Wirten, oder Take-away-Multi-Kulti-Einrichtungen abtreten müssen. Deshalb sei dazu aufgerufen, dass man sich als Einheimischer, Gast und vor allem Wirt der Tradition und der Wurzeln entsinnt, damit die Rezepte noch Jahrhunderte überstehen und auch noch unsere Nachkommen in ferner Zukunft ihre Freude damit haben. In diesem Sinne ein herzliches Pfiat Gott mitnand, wir sehen uns in einem Gasthaus frei nach Tiroler Wirtshauskultur!

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Von in Gschichten.com

  • Heinz Molik

    Das sind ein paar gute Gedanken – aber wenn es die „traditionellen“ Wirtsleute ernst meinen, dann sollen sie das Fleisch nicht beim Lidl und den Speck nicht beim Handl kaufen: Traditionelle Tiroler Gasthauskultur verträgt sich nicht mit thailändischen Hängebauchschweinen.

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