Das „Verfahren“ Blasmusik: Die „Bergtöne“ in Fiss

Vor kurzem fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Es ereignete sich bei den „Innsbrucker Promenadenkonzerten“ vor rund 3 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt ging mir auf, dass Blasmusik vielleicht doch mehr war als ein bisschen „Humpta“ mit möglichst niedrigem musikalischen Anspruch für ein mitklatschfreudiges Publikum, das man so 1 zu 1 auch in den Musikantenstadl setzen könnte. Weit gefehlt. Blasmusik kann auch Kunst sein. Oder zumindest ein künstlerisches Verfahren.

Ich bin ja nun wahrlich nicht der Blasmusikexperte schlechthin. Blasmusik war mir bisher immer suspekt und ich hatte auch den musikalischen Anspruch an diese Musik bisher nicht allzu hoch angesetzt. Mittlerweile ist mir aber aufgegangen, dass auch die Blasmusik ein nicht wenig ausdifferenziertes System ist. Lieber möchte ich es ein „Verfahren“ nennen, um mit musikalischem Material umzugehen. Ich bin der Meinung, dass man daran die musikalische Qualität von Blasmusik messen kann. Zumindest habe ich mir diesen Reim darauf gemacht.

Die „Versuchsanleitung“ ist dabei relativ einfach. Ich möchte eine Art „Bewertungsschema“ für Blasmusik vorstellen und dieses dann auch gleich mal am Beispiel „Bergtöne. Fiss – Ein Dorf voller Klänge“ testen. Eine Veranstaltung in der Region Serfaus-Fiss-Ladis, die am 18.06. + 20 .06. + 22.06.2014 über die Bühne gehen wird.

Blasmusik in Fiss ist keine Kunst – und das ist gut so!

So, wohl an: Wenn Blasmusik also ein Verfahren ist, dann muss sie sich daran messen lassen, wie dieses Verfahren mit seinem Umfeld umgeht. Man wird sich also ansehen müssen, in welchen kulturellen Kontext die jeweilige Kapelle oder auch das jeweilige Ensemble eingebettet ist. Bildet die jeweilige Kapelle die kulturelle Realität ab, geht sie mit dieser auf kreative Weise um? Sprich: Es gibt ja schließlich nicht nur Volksmusik, sondern auch Pop, Jazz, klassische Musik. Das alles ist Teil „unserer“ Kultur.

Blasmusikkapellen, die sich nur auf rein volksmusikalisches Liedgut konzentrieren müssen sich erstmals den Vorwurf gefallen lassen, eventuell nur Folklore anzubieten. Musik für Touristen, die sich gerne mal „echte“ und „authentische“ Musik aus der Region anhören möchten. Eine perfekt inszenierte Idylle, die mit der musikalischen und kulturellen Realität dann schon aber auch gar nichts zu tun hätte. Eine Kapelle hat in diesem Spannungsfeld von Innovation und kreativem Umgang mit der eigenen Tradition zu agieren. Dann ist die Musik, die dabei herauskommt, zwar nicht immer gut, da auch noch Aspekte wie spielerische und musikalische Qualität bewertet werden müssten, aber immerhin ist die Kapelle dann originell. Was ja auch schon mal nicht nichts ist.

Das „Verfahren“ Blasmusik ist dabei wie folgt zu beschreiben: Ein musikalisches Verfahren, das musikalisch vielfältige Einflüsse in ein mitreißendes, durchaus massenkompatibles Ergebnis verwandelt. Blasmusik ist NICHT kammermusikalisch, allzu feinsinnig oder gar „Kunstmusik“, obwohl sie künstlerisch sein kann. Blasmusik kommt aus dem „Volk“ und ist für die breite Masse komponiert und gespielt. Das geht allerdings nicht damit einher, dass musikalische Anspruchslosigkeit vorherrschen muss. Der breiten Masse kann behutsam auch einiges an Neuem zugemutet werden.

Das Kernprogramm muss allerdings auch aus Stücken bestehen, die bekannt sind und zu denen man vielleicht hin und wieder sogar mit klatschen kann. Muss ja keine Sünde und kein absolutes No-Go sein. Blasmusik bewegt sich also im Spannungsfeld zwischen musikalischen Neuerungen, sinnvollen Erweiterungen des Repertoires mit einem gleichzeitigen Blick auf Bodenständigkeit und Nachvollziehbarkeit. Blasmusik ist stets mit der Region und mit einem etwas abstrakten und vielleicht auch nicht ganz unproblematischen Begriff von Heimat verbunden.

Schauen wir uns dann also noch die Kapelle an, die bei „Bergtöne“ in Fiss zu hören sein werden. Das ist zum einen die „Stadtmusik Landeck“ zum anderen die „Stadtmusik Sursee“ und last but not least „Die Algunder“. Zu allererst fällt natürlich auf, dass der Name der Veranstaltung auf eine landschaftliche Besonderheit der Region Bezug nimmt: auf die Berge. Da wäre sie also schon im Namen eingeschrieben, die zuerst vorgeschlagene Bodenständigkeit in der Blasmusik. Blasmusik wächst immer organisch, kommt aus der Region und aus der Volkskultur hervor.

Interessant ist auch, wenn man sich die Dirigenten der jeweiligen Kapellen ansieht, das einem hier überraschend oft eine akademische Ausbildung ins Auge fällt. Ohne Konservatorium geht anscheinend auch in der Blasmusik gar nichts mehr. Und die Stadtmusik Landeck spielt auch mal locker lässig, neben dem „üblichen“ Repertoire, Dimitri Schostakowitsch. Und das auch noch gut und mit klanglichen Möglichkeiten, die ein „normales“ Ensemble vielleicht nicht hätte. Spannend ist deren Interpretation allemal. Und erfrischend anders.

Ich möchte jetzt gar nicht in die Tiefe gehen. Das kann man nämlich bei „Bergtöne. Ein Dorf voller Klänge“ in Fiss tun. Ich habe aber so die grobe Vermutung, dass das mit der Blasmusik wie man sie sonst kennt und eben nicht liebt, wenig zu tun hat. Da wird feinste Kost geboten, die sich in musikalischer Hinsicht wirklich nicht verstecken muss. Wen da die Euphorie packt und wer dann vielleicht auch mal, an passender Stelle natürlich, mal mit klatscht, dem darf wohl ausnahmsweise verziehen werden. Wer weiß: Vielleicht werde sogar ich am lautesten klatschen? Man würde sehen. Demnächst in Fiss.

In diesem Sinn: Was meint ihr zu meiner Definition von Blasmusik? Gibt es gröbere Einwände oder habt ihr gar eine ganz  eigene Definition? Nur her damit!

Das „Verfahren“ Blasmusik: Die „Bergtöne“ in Fiss
Rate this post

Von in Puint