Volksmusik im Zillertal: Nein, die Geige ist nicht tot!

Denkt doch einfach mal an Volksmusik. Noch besser: An volkstümliche Musik. Im allerbesten Falle an die volkstümliche Musik im Zillertal. Das dürfte ja nicht allzu schwer fallen, zumal im Zillertal ja wirklich unzählige Bands aus dieser Musikrichtung zu finden sind. Manch einer wird sagen, dass es zu viele sind. Aber darum geht es nicht. Vielmehr finde ich es interessant euch zu fragen, welcher Klang euch in den Sinn kommt, wenn ihr euch diesen einfach mal vorzustellen versucht. Na? Ich bin fast sicher, dass die Trompeter und vielleicht auch noch das etwas schnulzige Keyboard dabei eine Rolle spielt. Doch das war nicht immer so: Früher hatte mal die Geige die Rolle des führenden Instrumentes inne.

Die Geige hatte jedenfalls damals im 17. Jahrhundert eine ungewöhnliche Rolle zu erfüllen. Ja, natürlich, sie trat auch ihren Siegeszug in der damaligen Barockmusik an und verdrängte Instrumente wie die Nyckelharpa oder ähnliche Instrumente. Von der Nyckelharpa sprach bald niemand mehr, späte Barockmusik wurde bald ausschließlich auf der Geige gespielt. Die Geige setzte sich in Europa mehr und mehr durch und sollte auch später in der klassischen Musik eines der führenden Instrumente sein. So weit so gut. Das wissen wir. Aber wissen wir auch, dass die Geige im 17. Jahrhundert auch eine gewichtige Rolle im Zillertal gespielt hat?

Ja, im Zillertal. Und zwar nicht irgendwo und in irgendeinem Kontext, sondern ganz konkret bei den Bergbauern im Zillertal. Ein ganz schön unvermuteter Kontext für die Geige! Während anderswo dieses Instrument schon hochvirtuos und hochgradig technisch gespielt wurde, ging man im Zillertal ganz anders mit diesem Instrument um. Gelernt und gelehrt wurde fast nur nach Gehör, Noten lesen und virtuoses Geigenspiel war die Sache der Zillertaler Bergbauern nicht. Obwohl es aus diesem Grund schwer werden wird, diese Musik ausfinden zu machen, kann man sich durchaus vorstellen, dass dieses mangelnde spielerische Können mit ganz viel Leidenschaft und einem ganz ureigenen Ton mehr als nur ausgeglichen wurde.

Das Geigenspiel im 17. Jahrhundert im Zillertal:

Diesem Geigenspiel sagt man im Heute ein „hartes Spiel“ nach, das von eckigem rythmischem Spielen dominiert war. Gar von einem ganz eigenen Bogenstrich wird gesprochen, den es sonst in dieser Form nirgends gab. Ich sage es also mal so: Im Zillertal im 17. Jahrhundert wurde vermutlich aus einem Zufall heraus musikalisches Neuland betreten. Da brauchte es schlicht und einfach keine große Virtuosität, das eigene Gehör genügt um musikalische Innovationen und interessante Klänge zu produzieren. Der Anspruch dabei war natürlich nicht, weltbekannt zu werden. Vielmehr war die Geige hier in der Funktion der Hausmusik, es wurde in den eigenen Bauernhöfen kurzerhand aufgegeigt was das Zeug hält.

Im Heute geigen, unter anderem, die "Ursprung Baum" auf (Bild: Adlmann Promotions)
Im Heute geigen, unter anderem, die „Ursprung Baum“ auf (Bild: Adlmann Promotions)

Später dann kam es, auch hier lässt sich der Zeitraum nicht exakt festlegen, mehr und mehr zu einer Verdrängung der Geige. Mehr und mehr hielten markige Blechbläsergruppen in den Zillertaler „Sound“ Einzug. Nun könnte natürlich behauptet werden, dass das eine ganz normale Entwicklung ist. Dominante Instrumente kommen und gehen. Tauchen auf und gehen unter. Ich würde sagen: Ja, das ist natürlich wahr. Und historische Ereignisse und Zufälle tragen dazu bei, dass ein Instrument zu einem dominanten Instrument wird und dann wieder verschwindet. Auf der neutralen Ebene ist das über die Musikgeschichte hinweg gesehen völlig normal. Aber bedauern kann man das dennoch!

Auch die "Mayrhofner" und vor allem Erwin Aschenwald geigen im Heute groß auf!
Auch die „Mayrhofner“ und vor allem Erwin Aschenwald geigen im Heute groß auf!

Der Punkt ist aber ein anderer: Die Tradition der Geige lebt im Zillertal nach wie vor weiter. Man muss nur genauer hinsehen. Nein, sie ist nicht mehr so omnipräsent wie sie es früher war. Und einiges an der Musik, in denen die Geige im heute vorkommt, gefällt mir nicht wirklich. Aber das macht nichts. Die Geige lebt! Schauen wir uns dazu einfach mal ein bisschen in der aktuellen Musikszene im Zillertal um. Ein paar Beispiele fallen da gleich auf.

Es sind die ja nicht gerade unbekannten „Ursprung Buam“, die der Geige eine doch recht wichtige Rolle in ihrer Musik zuteilen. Ihre Musik muss man nicht mögen, aber die Geige spielt doch eine wichtige Rolle. Oder denken wir dazu einfach mal an die „Mayrhofner“ und besonders an Erwin Aschenwald, der ja auf seiner Geige auch ein ganz eigenes Spiel entwickelt hat. Ohne die Sache jetzt musikwissenschaftlich überprüft zu haben bin ich der Meinung, dass sich gewisse Konstanten und Kontinuitäten von damals bis ins Heute feststellen lassen würden. Auch weitere größere und kleinere Bands, die der Geige Tribut zollen, ließen sich zweifellos finden. Für jetzt will ich es aber hierbei belassen.

Bin ich der einzige, dem bei diesem Anblick sofort der Klang einer Geige in den Sinn kommt?
Bin ich der einzige, dem bei diesem Anblick sofort der Klang einer Geige in den Sinn kommt?

Ich möchte stattdessen meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Geige in Zukunft wieder verstärkt eine Rolle spielen wird. Ich denke wenige Instrumente würden so gut zum Zillertal passen, wie dieses Instrument. Für spiegelt der Klang der Geige exakt die Schönheit des Zillertals wieder. Eine Geige kommt mir als allererstes in den Sinn, wenn ich an die Berge und an die Almen dort denken. Und auch ein kleines, aber sehr feines „Geigenfest“ gibt es hier. Allein diese Veranstaltung gibt schon Hoffnung, dass es in Zukunft nicht „nur“ Trompeten, Gitarren und schwülstige Keyboard-Sounds in der sogenannten volkstümlichen Musik geben wird. Die Hoffnung stirbt nämlich bekannt zuletzt.

Einstweilen werde ich mir demnächst wieder mal ein paar Tage Sommerurlaub im Zillertal gönnen. Und der Schönheit des Zillertals abermals nachspüren. Unter Umständen werde ich aber auch meine noch rudimentäre musikalische Recherche vertiefen. Wer weiß, vielleicht entdecke ich noch ein paar Bands aus der Volksmusik und der volkstümlichen Musik, die der Geige noch die Treue halten…

Volksmusik im Zillertal: Nein, die Geige ist nicht tot!
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Von in Waldfriede