Das Zillertal und die Musik: Is it love?

Ist es nicht schön, wenn die Liebe noch frisch ist und man alles mit der sprichwörtlichen rosaroten Brille sieht? Ich bin jedenfalls frisch verliebt. In die sogenannte „Neue Volksmusik“ oder auch „VolXmusik“. Und das, obwohl ich früher einen sehr weiten Bogen um alles gemacht hatte, was irgendwie mit Volksmusik oder Tradition zu tun hatte. Doch mit der frischen und neu entflammten Liebe ist es auch immer so, dass man sich ein wenig um sie kümmern muss und sie ja nicht zu hart auf die Probe stellen darf. Kürzlich ist mir jedenfalls eine Einladung zum „Aufgeig´n wie früher“ im Zillertal ins Haus geflattert. Ob ich da hingehen sollte? Soll ich es wagen?

Für mich ist es jedenfalls erst einmal ein Phänomen. Immer wenn ich mich in eine neue Art von Musik „verliebt“ hatte, mochte ich erst einmal nur ein paar Elemente dieser Musik. Vielleicht zum Beispiele die Art und Weise, wie die Harfe in der Volksmusik gespielt wird. Und dann wird es immer mehr: Ich beginne sogar schon das Akkordeon zu lieben, das für mich in dieser Art von Musik immer ein Problem gewesen war.

Beim Jazz war es damals vor ein paar Jahren ähnlich gewesen: Zuerst mochte ich nur das Saxophon und dieses Schlagzeug-Spiel ging mir manchmal immer noch gehörig auf die Nerven. Dann begann ich zunehmend genau diese differenzierte, oftmals auch sanfte Spielweise zu schätzen und zu lieben. Ich verliebe mich also immer in mehreren Phasen. Vielleicht, weil ich von Haus aus ein vorsichtiger Mensch bin. So ganz genau kann ich das jedenfalls nicht sagen, aber die Vermutung liegt nahe und die These ist meiner Meinung nach plausibel.

Ist beim „Aufgeig´n“ im Zillertal wirklich alles wie früher?

Ähnlich war es jedenfalls mit der Volksmusik, vor allem mit der sogenannten „Neuen Volksmusik“, die ja bekanntlich mit Tradition oftmals ein wenig freier umgeht – oder zumindest die Wurzeln der jeweiligen Musik auf originelle und spielerisch oft brillante Weise bearbeitet. Wenn mir jemand vor einigen Jahren gesagt hätte, dass ich ein paar Jahre später die „Stubaier Freitagsmusig“ schätzen würde, den hätte ich glatt als absolut durch geknallt bezeichnet. Doch man ändert sich, wird älter und erschließt sich neue Hörgewohnheiten. Und das ist auch gut so.

Im Fall der Volksmusik war es für mich eine einfache Rechnung: Ich lebe in Tirol und würde, so wie es aussieht, auch auf längere Sicht in Tirol bleiben. Da richtet sich, zumindest bei mir, der Blick automatisch auf die Region, auf die Tradition und auf den Entwicklung und den Umgang mit dieser. Anders gesagt: Wer sich immer nur wo anders hin wünscht und immer nur glaubt, dass die Kultur, die Musik und die Kunst anderswo besser ist, der wird auf Dauer wohl eher unglücklich sein.

Wer sich aber hinein gräbt und vertieft in dem, was vor Ort ist, der wird so manche Perle entdecken. Zum Beispiele den einen oder anderen absolut atemberaubenden Chor, der es mit allen anderen Chören der Welt aufnehmen kann. Oder mit Zitherspielern, die virtuos und originell daherkommen. Kurzum: ein genauer und detaillierter Blick lohnt sich. Da bin ich ganz sicher. Auch im Zillertal, das für mich immer noch ein wenig zu sehr von Marc Pircher & Co. beherrscht wird. Aber ich bin sicher, dass es auch dort mehr und bessere Sachen gibt.

Unterwegs in Sachen Musik im Zillertal: Wird meine Liebe das aushalten?

Etwas schwingt bei dieser Musik jedenfalls mit. Etwas, bei dem ich nicht weiß, ob ich mich in diesen Aspekt verlieben kann: Das „früher war alles besser“ Syndrom, das sich auch bei der besagten Einladung des Hotels „Waldfriede“ im Zillertal spiegelte. Hier wird von „Aufgeig´n wie früher“ und „ohne Verstärker“ gesprochen. Ganz so, als ob das alles wieder besser und die musikalische Welt wieder heil machen würde. Früher war alles irgendwie authentischer und dieses Teufelszeug mit Namen „Verstärker“ ist ohnehin das Grundübel. Nein, jetzt aber im Ernst und ohne Ironie: So ganz verstehe ich diesen Zugang nicht. Aber ich akzeptiere ihn. Und bin bereit mit darauf einzulassen, dann besser ein diskussionswürdiges Konzept als gar kein Konzept.

Ich würde jedenfalls den Versuch mal wagen. Und schauen, ob ich mich auch in diese Art von Volksmusik und ja, auch volkstümlicher Musik, verliebten konnte. Denn Tradition ist ja erstmals nichts Schlechtes. Und auch der Fokus auf die Vergangenheit ist bis zu einem gewissen Grad legitim, solange diese Vergangenheit mit spielerisch adäquaten Mitteln ins Szene gesetzt wird und eloquent ästhetisch formuliert wird, warum es genau diese Art von Musik im Heute immer noch braucht und was sie uns im Heute zu sagen hat. Denn auch die Vergangenheit kann im Hier und Jetzt noch zu uns sprechen. Davon zeugt zum Beispiel der Trend hin zur „Alten Musik“, die ja auch schon ein paar Jährchen am Buckel hat.

Kurzum: Ich würde wohl der Einladung ins „Hotel Waldfriede“ im Zillertal folgen. Diesen Sonntag am 12.10. war es schon so weit. War meine junge Liebe mit der Volksmusik mehr als nur eine Sommerromanze? An diesem Sonntag würde ich es wohl herausfinden…

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Von in Waldfriede