Knapp 50 Kilometer lang ist das Rohrpostsystem der Innsbrucker Klinik. Es ist die größte Rohrpostanlage Europas.

„In Richtung Zentrallabor ist heute wieder viel Verkehr“, sagt Martin, mit Blick auf seinen Computer, auf dem sich unzählige Punkte auf einem Gewirr von Linien hin und her bewegen. Die Punkte sind „Bomben“, also die runden Boxen, die durch die Rohre, die am Computer als Linien dargestellt werden, quer über das Areal der Klinik „geschossen“ werden. Und sogar noch weiter. Denn auch das Gebäude am Innrain 66 ist an die Rohrpost angeschlossen, ein gutes Stück außerhalb des Klinik-Areals. Dokumente oder leere Behälter dürfen mit knapp 50 km/h durch die Rohre pfeifen.

Werden Laborproben versendet, dann wird die Geschwindigkeit automatisch auf ca. 10 km/h gedrosselt. Damit wird garantiert, dass die wertvolle Fracht keinen Schaden nimmt. Die Blutbank hat überhaupt eine eigene Verbindung in die Notaufnahmen und OPs.  Einerseits sind die Rohre dicker, in den Boxen hat mehr Platz. Andererseits ist auf diesen Spezialverbindungen nicht so viel Verkehr, damit die lebensrettenden Blutkonserven möglichst schnell beim Schwerverletzten in der Notaufnahme sind.

Chaos unter Kontrolle

Ca. 1.000 Boxen sind im Umlauf. Jede hat eine „Heimatadresse“, eine Station oder eine Ambulanz und über ein eigenes Programm im Netz der Klinik kann jeder Nutzer nachsehen, wo sich seine Box gerade befindet. Insgesamt gibt es knapp 320 Stationen, an die eine Rohrpost-Bombe geschickt werden kann. Gesteuert wird das programmierte Chaos von einem leistungsstarken EDV-System. Der Computer gibt seine Befehle an die Stationen, die Weichen, die Roboter, die Gebläse und die Service-Zentrale. Das Ziel gibt der Benutzer an der Station ein, an der er die Bombe auf die Reise schickt. Früher musste die Zieladresse über Stellringe an der Box vorgegeben werden.

Gesteuert werden die Boxen über Weichen, die aber natürlich nur nach links, rechts oder geradeaus geschaltet werden können. Meist aber ist die Auswahl um ein Vielfaches höher, als nur drei Richtungen. Dann übernimmt eine der 13 Roboter-Zentralen. Sanft werden die Boxen entgegengenommen und zum nächsten Rohr transportiert, wo sie wieder auf die Reise geschickt werden. Das sieht dann so aus:

Seit 1977 ist das Rohrpostsystem der Innsbrucker Klinik in Betrieb und wird laufend erweitert und modernisiert. Die Boxen selbst werden regelmäßig gewartet. Wenn eine gewisse Zahl von Fahrten erreicht ist, dann fährt die Box von selbst „in die Box“. Dort wird vor allem ein kleiner Ring ausgetauscht, der dafür sorgt, dass die Bomben möglichst reibungslos durch die Rohre pfeifen. Bei rund 7.000 Transportfahrten täglich, hat so manch eine Box bereits eine Strecke zurückgelegt, die knapp der zweifachen Erdumrundung entspricht.

Verschüttet im Rohr?

Doch was passiert, wenn einmal eine Rohrpost-Bombe stecken bleibt? „Kommt vor, sehr selten, aber es kommt vor“, sagt Martin, „wenn zum Beispiel der Verschluss nicht ordentlich zu ist“. Wie findet man etwas, was in irgendeiner Mauer der Klinik in irgendeinem Rohr steckt? Die Lösung ist genial. Ein Verschütteten-Suchgerät, ein so genannter Lawinen-Pieps, kommt in eine Box und wird auf die Reise geschickt. Bei der steckengebliebenen Bombe bleibt auch das Suchgerät stecken. Mit dem zweiten Pieps kann Martin dann die „Verstopfung“ orten und beheben. Beeindruckend ist, dass währenddessen aber keine Einschränkung im Post-Verkehr herrscht.

Die Bomben suchen selbstständig Ersatzwege um an ihr Ziel zu kommen. „Haben wir heuer aber noch nicht gebraucht“, sagt Martin und klopft auf Holz und der Bomben-Verkehr in Richtung Zentrallabor hat auch etwas abgenommen. Die Mittagspause naht. Ob auch schon mal die eine oder andere Wurstsemmel herumgebombt wird? „Für den Inhalt sind wir nicht verantwortlich“, sagt Martin. Nur dass es pfeift. Rund um die Uhr.