„Ja hallo, wie geht es dir?“ „Du sorry, i hab einen Stress, Danke der Nachfrage! Ciao.“ O du fröhliche, O du selige, Gnadenbringende Weihnachtszeit! Auf dem Papier ist es das. Doch leider sieht die Realität vor und zu Weihnachten bei vielen Familien anders aus. Die Zeit der Besinnlichkeit erzeugt Stress. Warum ist das so? Was können wir dagegen tun? Und hilft gemeinsames Kochen zu Weihnachten, den Alltag zu entschleunigen?
Was ist Stress?
„Und hast einen Stress?“ Diese Frage kommt oft noch vor: „Wie geht es dir?“ Dabei ist Stress per se nicht negativ. Es gibt zwei Arten von Stress. Der Eustress ist der gute Stress. Der Disstress ist sein negatives Pendant. Den Eustress brauche ich: vor einer Prüfung, vor einem Gespräch mit meinem Chef, vor einem Tennismatch. Er versetzt mich in eine Alarmbereitschaft, damit ich meine Leistung abliefere. Der Disstress belastet mich. Er entsteht einerseits durch äußere Auslöser, die ich nicht beeinflussen kann, wie beispielsweise ein beruflicher Abgabetermin; andererseits durch persönliche Stressauslöser, weil ich es allen Recht machen will und nie „Nein sagen“ kann.
Woher kommt Stress?
Mache ich mir meine Unruhe selber oder wird sie mir aufgezwungen? Der innere Stress ist eine Erwartung an mich, alles erfüllen zu müssen: Die Wohnung muss perfekt geputzt sein. Der Tisch muss perfekt gedeckt sein. Der Weihnachtsbaum muss perfekt geschmückt sein. Der Abend muss wunderschön sein. Der innere Stress ist zum Großteil hausgemacht. Dabei ist es einfach. Das „Müssen“ begrenzt mich selbst, indem ich mir keine Alternative gebe. Wenn ich „müssen“ durch „können“ ersetze, erweitere ich meinen Handlungsspielraum und setze mich nicht unter Druck.
Der permanente Stress kann krankmachen und meinen Körper schädigen. Das Cortison regelt nicht nur die Stressreaktion, sondern auch die Hormonausschüttung im Körper. Wenn ich Cortison permanent gleich ausschütte, dann kann sich mein Sexualhormon unterdrücken, was geringe Libido zur Folge hat. Bei Stress ändern sich meine Essgewohnheiten. Ich nehme Kalorien zu mir, in Form von schnell verfügbaren Kohlenhydraten und Fertigprodukten, ich koche mir kein gutes Essen, ich kann nicht mehr schlafen, ich komme nicht zur Ruhe. Daraus kann sich eine chronische Nervosität entwickeln.
Weihnachten als Zeit der Besinnung?
Weihnachten ist unter den Katholiken das hoch emotionale Fest der Familie, das in der Bedeutung noch vor Ostern liegt. Die gesamte Familie kommt zu Weihnachten zusammen. Alle verbringen auf engstem Raum viel Zeit miteinander. Es ist eine tagelange permanente Auseinandersetzung mit Leuten, die ich nicht so oft sehe. Dabei bin ich verpflichtet fröhlich zu sein. Klar kann das Hektik erzeugen. Auch die Betriebe stehen unter Druck, wenn sich das Jahr dem Ende zu neigt. Jahresabschlüsse, Inventuren und Weihnachtsfeiern klopfen an. Von besinnlicher Zeit ist wenig zu spüren.
Generell stehen Erwachsene zur Weihnachtszeit mehr unter Stress als Kinder. Kinder haben positive Emotionen, sie haben weniger um die Ohren, sie malen vielleicht ein Bild für die Mama und ein Bild für den Papa oder im Kindergarten basteln sie etwas. Kinder empfinden einen positiven Stress, weil alle so aufgeregt sind. Für Kinder ist Weihnachten, wenn es richtig abläuft, ein schönes Fest.
Patentrezept gegen den Stress?
Den gibt es leider nicht. Zu individuell unterschiedlich und mannigfaltig drückt er sich aus. Das Beste ist, erst gar nicht in sein Teufelsrad zu geraten. Jeder sollte auf seine Frühwarnungen hören. Der Körper reagiert beispielsweise mit Magen-Darm-Beschwerden oder Bauchweh auf Stress. Natürlich gibt es Situation, wo Achtsamkeitsregeln nicht mehr helfen, wenn Menschen sich in Situation befinden, wo selbst Therapeuten nicht wissen, wo sie ansetzen sollen. Das ist z.B. bei persönlichen Schicksalen, welche die Existenz gefährden, der Fall.
Prinzipiell hilft es, wenn ich auf mich schaue und den Stress selber erkenne. Wenn ich den Schritt zurück nicht schaffe und ihm nicht entfliehen kann, suche ich dann Rettung in der inflationären Ratgeberkultur? Da ist es besser, wenn ich mich an mein nahes Umfeld wende. Hilfe finde ich dann allerdings nur, wenn mich mein Partner unterstützt, indem er mir Tätigkeiten abnimmt und mir nicht meinen Stress unter die Nase reibt.
Nein sagen tut gut
Strukturieren ist ein gutes Rezept gegen den Stress. Wenn ich meine Dinge frühzeitig plane und bald erledige, dann verhindere ich hektische Situationen. Dann gehe ich nicht am 8. Dezember Weihnachtsgeschenke kaufen, sondern schließe dieses Projekt bereits im November ab. Auch Gastronomen und Verkäufer können sich auf den 8. Dezember, einem definitiv stressigen Tag, vorbereiten, indem sie am Tag davor früh schlafen gehen und mit ihrer Energie haushalten. Und überhaupt sind meine eigenen Ressourcen das höchste Gut. Wenn mir etwas zu stressig scheint, dann sage ich Nein. Und „Nein sagen“ gibt Kraft. Wenn ich keine Kraft habe und selber nicht funktioniere, dann hat niemand etwas davon. Natürlich ist damit nicht das Einigeln gemeint. Das Aufrechterhalten der sozialen Kontakte ist ein Teil davon. Aber ich umgebe mich mit Menschen, die mir gut tun und die ich mag: keinesfalls mit Energievampiren.
Von der Kunst des Aufschiebens?
Verursacht Aufschieben, das Prokrastinieren, Stress? Wiederum kommt hier der Mensch als Individuum ins Spiel. Es ist typabhängig und eine Charaktersache. Ich lerne einen Tag vor der Prüfung, 24 Stunden am Stück und das Energiegetränk ist mein bester Lernkumpane. Ich plane meine Hochzeit in zwei Tagen. Klar stehe ich gerade unter Druck. Diesen suche ich aber, damit ich liefere. Er tut mir gut und ich „performe.“ Den Rest der Zeit bin ich gechillt und entspannt. Aufschieben ist also, wenn man immer aufschiebt, nicht negativ, weil ich mich unter Stress setze, damit ich unter Stress meine Leistung bringe. Das ist nicht paradox, sondern gesunder Eustress. Übel wird es, wenn ich unter permanentem Stress leide, der dauerhaft über Jahrzehnte mein Leben bestimmt.
Weniger Stress durch gemeinsames Kochen?
Kommt darauf an, wie ich es mache und was ich mir erwarte. Gemeinsames Kochen ist in der Tat wunderschön und kann sehr entspannen, wenn jeder Beteiligte seine Ansprüche zurückschraubt. Wenn ich die Kartoffel schäle, dann mache ich das auf meine Art. Wenn die Kinder den Tisch decken, dann so, wie es ihnen gefällt. Jeder kann in seinem Element sein. Ansonsten kommt es zu Reibungen.
Das Kochen soll als ganzheitlicher Ansatz verstanden werden. Ich gehe mit meinen Kindern einkaufen, damit sie ein Gefühl für Lebensmittel bekommen: am besten auf Bauernmärkte, damit sie sehen, dass die Karotte auch aus Grünzeug besteht. Ich koche gemeinsam mit den Kindern, wobei jeder seine Rolle innehat. Zu Weihnachten schmückt die Familie den Baum. Es wird gemeinsam gegessen und gemeinsam abgeräumt. Nicht nur das Essen ist ein Ritual, sondern sein ganzer Entstehungsprozess.
Weihnachten ist die ideale Gelegenheit, um Kochen in das Familienfest zu integrieren und als gemeinsames Erlebnis zu ritualisieren. Es kann bestimmt nicht Teil des Alltags werden, aber es soll Teil des Wochenendes werden. Ein Zeichen der Entschleunigung, indem Essen als Aufhänger dient und ich mich mit Menschen umgebe, die ich liebe. Zumindest in dieser Zeit ist jeglicher Stress in weiter Ferne.
Präziser als der Mensch
An der Orthopädie der Klinik Innsbruck werden seit Kurzem Knie- und Hüftprothesen mittels OP-Roboter eingesetzt. Eine Methode, die es so in Österreich bisher noch nicht gab. Wenn ein Knie- oder Hüftgelenk (meist durch Arthrose) zu stark abgenutzt ist, dann muss es durch ein künstliches Implantat ersetzt werden. Die Operation an sich ist jahrelange Routine und weit über 80 Prozent der Patienten sind hochzufrieden. „Wir wollen uns damit aber nicht zufrieden geben“, erklärt Martin Thaler, Leiter des Endoprothesenzentrums an der Orthopädie in Innsbruck. „Wir wollen auch die letzten 20 Prozent unserer Patientinnen und Patienten zufriedenstellen und dabei bekommen wir von unserem neuen Roboter Unterstützung.“ Arbeiten im Millimeterbereich Bei der Endoprothetik, also dem Ersatz von geschädigten Körperteilen durch Implantate, sind vor allem zwei Dinge wichtig für den Erfolg der Operation, erklärt Michael Nogler, Professor für Experimentelle Orthopädie: „Wie genau entferne ich den beschädigten Körperteil, in diesem Fall das Kniegelenk und wie genau sitzt das neue künstliche Gelenk?“ Alte, geschädigte Gelenke werden mittels Fräse oder Säge entfernt, wobei hier im Millimeterbereich gearbeitet wird. Genau dabei hilft der neue Roboter. Er kann exakt die richtige Menge Knochenmaterial an der richtigen Stelle abtragen. Markierungen am Bein helfen dem Roboterarm mittels Kameras bei der Navigation. „Der Roboter führt meine Hand“, erklärt Oberarzt Michael Liebensteiner, „aber er sägt nur, wenn ich den Auslöser betätige. Ich habe also die volle Kontrolle, aber der Roboter führt mich an die richtige Stelle und gemeinsam schaffen wir ein präzises Arbeiten unterhalb der Millimeterschwelle.“ Mit Hilfe seiner Kameras kann er dann außerdem den präzisen Sitz der Prothese überprüfen. Die Einsatzgebiete des Roboters sind künstliche Knie- und Hüftendoprothesen, wobei er in Zukunft regelmäßig als „Kollege“ im OP dabei sein wird. „Eine Prothese muss große Belastungen aushalten und je genauer sie individuell angepasst ist, desto weniger Schmerzen versursacht sie und der Verschleiß ist noch dazu geringer. Hier erwarten wir, dass die Patientinnen und Patienten schneller nach Hause gehen können und ein besseres Langzeitüberleben des Gelenks. Genau diese letzten Prozent Präzision wollen wir mit unserem Roboter erreichen“, so Martin Krismer abschließend. Text: Johannes Schwamberger Bilder: Univ.-Klinik für Orthopädie (Titelbild), Gerhard Berger
Endometriose – wenn die Regel zur Qual wird
Endometriose ist eine chronische Erkrankung, die etwa 10% der Frauen im gebärfähigen Alter betrifft. Seit Schauspielerin Lena Dunham ihren Endometriose-Leidensweg öffentlich gemacht hat, ist die Erkrankung zwar bekannter. Dennoch dauert es bis zur Diagnose mitunter lange. Jede zweite Frau kennt Regelschmerzen. Doch manchmal sind diese so stark, dass sogar ein Transport ins Krankenhaus nötig ist. Häufig ist die Ursache für die unerträglichen Krämpfe Endometriose. Die chronische Erkrankung betrifft jede zehnte Frau. Bei Frauen, die extreme Regelschmerzen und einen unerfüllten Kinderwunsch haben, ist es jede zweite. [caption id="attachment_2045" align="alignright" width="214"] Beata Seeber, stv. Direktorin der Univ.-Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin in Innsbruck.[/caption] Bei Endometriose siedeln sich Zellen der Gebärmutterschleimhaut an Stellen, wo sie nicht hingehören – etwa an die Beckenwand oder die Eierstöcke. Dort beginnen sie zu wuchern und Zysten zu bilden. Die Folgen reichen von extremen Regelschmerzen bis hin zu Schwierigkeiten schwanger zu werden. Gute Behandlungsmöglichkeiten Dabei stehen viele Behandlungsmöglichkeiten zur Auswahl: hormonelle oder Schmerztherapie etwa, aber auch unterschiedliche operative Eingriffe. Eine zusätzliche Ernährungsumstellung, psychologische Unterstützung und Physiotherapie können die Lebensqualität der Patientinnen stark verbessern. Im Endometriosezentrum an der Innsbrucker Klinik arbeiten deshalb MedizinerInnen aus unterschiedlichen Bereichen, PsychotherapeutInnen und DiätologInnen eng zusammen. „Diese Interdisziplinarität ist unsere große Stärke“, erklärt die Leiterin des Zentrums Beata Seeber, stv. Direktorin der Univ.-Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. „Es gibt uns die Möglichkeit, für jede unserer Patientinnen ein individuelles Behandlungskonzept zu erstellen.“ [caption id="attachment_2050" align="alignleft" width="217"] Siegfried Fessler, Oberarzt an der Univ.-Klinik für Gynäkologie in Innsbruck.[/caption] Bei einer Operation werden Endometriosezysten und -herde entfernt sowie Verwachsungen gelöst. Gleichzeitig kann die Eileiterdurchgängigkeit überprüft werden. Angst vor großen Narben müssen Patientinnen, die operiert werden, nicht haben. „Wir können diesen Eingriff minimalinvasiv, also mittels Schlüssellochchirurgie vornehmen“, beruhigt Siegfried Fessler, Oberarzt an der Univ.-Klinik für Gynäkologie. „Zum einen ist diese Operation oft nötig, um die Diagnose Endometriose zu bestätigen. Zum anderen können wir das Problem in 90 Prozent der Fälle bereits im Rahmen dieser Operation lösen.“ Nur in ca. zehn Prozent der Fälle ist ein zweiter Eingriff notwendig. „Unser Ziel ist aber immer, der Patientin die Schmerzen zu nehmen und wenn nötig eine Schwangerschaft zu ermöglichen“, so Fessler abschließend.
Wenn das Aufschieben zur Regel wird
Prokrastination – das bedeutet, unangenehme Aufgaben immer weiter zu verschieben, bis ernsthafte Konsequenzen erfolgen. Eine Störung, die die Betroffenen leiden lässt – doch bis heute nicht als Krankheit gilt. Die gute Nachricht vorweg: Etwa 80% der Menschen schieben unangenehme Aufgaben regelmäßig vor sich hin. Das kann das Lernen auf eine Prüfung sein, die Steuererklärung oder das Entrümpeln des Dachbodens. Wer jedoch bis zur letzten Konsequenz aufschiebt, seine Ausbildung abbricht oder gar den Job verliert, sollte sich dringend professionelle Hilfe suchen. „Prokrastination hat nichts mit Faulheit oder Willensschwäche zu tun – es handelt sich dabei viel mehr um ein ernsthaftes Problem der Selbststeuerung“, erklärt Natalie Prantl-Salchner, Coach bei `mcb Coaching und Beratung. Um diese Störung in den Griff zu bekommen, gibt es im Rahmen einer Therapie eine Fülle von Möglichkeiten. Schritt für Schritt „Zuerst erarbeiten wir realistische Zielsetzungen. Dabei wird der Fokus vom Idealen auf das Machbare gelegt. Das bringt große Erleichterung für unsere Klientinnen und Klienten“, so Prantl-Salchner. Schnelle Verhaltensänderungen sind dabei wenig sinnvoll, vielmehr wird Schritt für Schritt die Routine geändert. „Am Anfang werden die einfachsten Aufgaben erledigt. Das wirkt motivierend“, so die Therapeutin, „dann wird protokolliert, wie lange unangenehme Aufgaben wirklich dauern. Hier ist die Wahrnehmung nämlich häufig verzerrt.“ In einem weiteren Schritt werden Ablenkungsquellen identifiziert. Das Internet ist oft der Hauptübeltäter – wer dazu neigt, häufig seine sozialen Netzwerke zu checken, sollte sich Offline-Zeiten verordnen. Neue Medien haben einen ähnlichen Effekt auf das Gehirn wie Drogen – jedes Like auf Facebook, jedes Herzchen auf Instagram, jede neue Nachricht auf Whatsapp setzt im Gehirn Dopamin frei und erzeugt somit ein Glücksgefühl. Um ein ähnliches Glücksgefühl für alltägliche Aufgaben zu erhalten, muss eine höhere Anstrengung unternommen werden. Biorhythmus beachten Sich ein Zeitlimit zu setzen und zu versuchen, nicht allzu perfektionistisch zu sein, ist ein weiteres Mittel, sich aus der Prokrastinationsspirale zu befreien. Wer lange für eine Aufgabe Zeit hat, braucht dafür häufig auch lange – gerade Perfektionisten neigen dazu, sich dann zu verzetteln. Drin Natalie Prantl-SalchnerCoach in der Abteilung Coaching und Beratung ´mcb der tirol kliniken Auch der eigene Bio-Rhythmus spielt eine große Rolle – den gilt es, genau zu kennen. Prantl-Salcher rät: „Es ist sinnvoll, wichtige Aufgaben in den persönlichen Leistungsphasen zu erledigen. Ein Langschläfer wird frühmorgens noch größere Probleme haben, nicht aufzuschieben.“ Zum Schluss noch eine gute Nachricht: Das Aufschieben ist gut behandelbar, oft reichen nur wenige Therapiesitzungen aus, um die Störung zu beseitigen. „Prokrastination ist erlerntes Verhalten. Das bedeutet, man kann es auch wieder verlernen“, macht Prantl-Salchner den Betroffenen Mut. Die Abteilung Coaching & Beratung ´mcb unterstützt die Mitarbeiter der Tirol Klinken GmbH unabhängig von Hierarchie und Funktionsebene in beruflichen und persönlich/familiären Problemstellungen durch individuelles Coaching, Individualtraining und Beratung.
Die Brücke zwischen Krankenhaus und zuhause
Eine Erkrankung, ein Unfall oder höheres Alter können dazu führen, dass Patienten zu Hause Pflege oder Betreuung benötigen. Das private Umfeld ist in so einer Situation stark gefordert, denn viele Betroffene sind dabei auf ihre Familie angewiesen. In den tirol kliniken bieten das Entlassungsmanagement Pflege (EMP), aber auch die Schulung „Familiäre Pflege“ spezielle Beratung und Tipps für Angehörige. Michaela Brunner und Margarethe Rüf vom EMP an der Klinik Innsbruck erzählen von ihrem Alltag. Das Entlassungsmanagement Pflege Die speziell ausgebildeten Pflegemitarbeiter planen und koordinieren die Entlassung. „Wir kümmern uns um die Versorgung zu Hause. Das reicht von kostenloser Beratung zu Pflege- und Betreuungsmöglichkeiten über die Organisation von mobilen Pflegediensten oder -hilfsmitteln und weiteren Angeboten wie Hausnotruf und Essen auf Rädern bis hin zur Koordination z. B von mobiler Hospizbetreuung,“ sagt Michaela Brunner. Um ein bedarfsgerechtes Entlassungsmanagement umzusetzen, sind viele Informationen und meist mehrere Besuche beim Patienten nötig. „Mit diesem Angebot möchten wir die Betroffenen und ihre Angehörigen optimal auf die Pflegesituation zuhause vorbereiten.“ Voraussetzung ist die enge Zusammenarbeit mit den Kollegen auf der Station und in anderen Bereichen wie der Sozialarbeit, dem Palliativ Konsiliardienst, den Memory Nurses oder den Diätologen und Physiotherapeuten. Wichtig ist auch der Informationsaustausch zwischen Krankenhaus und extramuralen Einrichtungen oder Diensten. Nur so kann ein fließender Übergang ohne Versorgungslücke entstehen. „Wir beraten aber nicht nur die Angehörigen, sondern schulen auch unsere Kollegen aus der Pflege bei speziellen Fragestellungen“, so Brunner. Das Zuhause sicher und angenehm gestalten „Viele ältere Menschen möchten so lange wie möglich selbstständig zu Hause leben. Daher geben wir auch gerne Tipps, um die eigenen vier Wände nach einem Krankenhausaufenthalt angenehm und sicher zu gestalten“, so Margarethe Rüf. Schon kleine Dinge können vor einem Sturz schützen, Unfälle vermeiden oder schlichtweg den Alltag erleichtern. „Stolperfallen reduzieren, um eine barrierefreie Mobilität zu unterstützen. Rutschgefahr vermindern, indem Klebestreifen auf Teppichen oder Stufen angebracht werden. Einrichtungshilfen wie ein Duschsitz oder Badewanneneinstieg, aber auch erhöhte Sitzflächen und Möbel wie das Bett oder ein Waschtisch unterstützen enorm. Das sind nur ein paar Hinweise, die von Angehörigen mitgedacht werden können.“ Schulung „Familiäre Pflege“ Wenn Angehörige die Betreuung und Pflege von pflegebedürftigen Personen zu Hause übernehmen, sollten sie auch gut auf diese herausfordernde Aufgabe vorbereitet werden. Die Schulung „Familiäre Pflege“ ist ein gemeinsames Projekt der Krankenhäuser in Innsbruck, Reutte und Zams und unterstützt Angehörige dabei, diese notwendigen Informationen bereits zeitnah im Krankenhaus zu erhalten. In einer kostenlosen, zweiteiligen Schulung erhalten die Teilnehmer praktische Ratschläge und nützliche Anleitungen. „Wir informieren über sichere Raumgestaltung und Umgebungsanpassung, Hygiene, Körperpflege und Inkontinenz. Ein wichtiger Teil ist auch die Mobilisation und das Thema Sturz. Neben aktiver Hilfestellung für den Alltag gibt es auch umfangreiche Fortbildungsunterlagen“, sagt Margarethe Rüf, die bei den Schulungen als Trainerin unterrichtet. INTEGRI (CompuGroup Medical APA-FotoserviceTesarek) Das Feedback der Teilnehmer ist sehr positiv. Es werden Dinge angesprochen, die häufig tabu sind, wie z. B. die Körperpflege. Der Austausch untereinander sowie Tipps und Tricks helfen, auch sensible Themen gut in den Griff zu bekommen. Die Einheiten dauern jeweils 2,5 Stunden und starten um 16:00 Uhr. Die Teilnahme ist vorerst für Angehörige von Krankenhauspatienten vorgesehen. Mitte Oktober wurde dieses Projekt mit dem österreichischen „Integri-Preis 2018“ in der Kategorie „Innovative Versorgungsinitiativen“ ausgezeichnet. Wenn sich viele Puzzleteile zu einem Bild zusammenfügen „Unsere Arbeit ist spannend und schön – gerade wenn man sieht, was man mit kleinen Dingen schon bewirken kann. Aber sie ist manchmal auch sehr fordernd. Speziell bei komplexeren Fällen ist es wichtig, zwischen den Zeilen zu lesen, nicht zu werten und mit viel Empathie auch nicht ausgesprochene Bedürfnisse zu erkennen“, so Michaela Brunner. „Oft ist unsere Arbeit viel mehr als nur die Organisation einer Gehhilfe. Wir nehmen eine vermittelnde Rolle ein, die in viele Richtungen reicht – das verlangt nach Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Als Kienaesthetics-Trainerin mache ich gerne einen Vergleich: Jede menschliche Bewegung braucht ihre Zeit, ihren Raum, ihre Anstrengung. Dasselbe gilt auch bei einem Gespräch, sei es mit dem Patienten und deren Angehörigen, wie auch in unserem Alltag. Informationen, Sichtweisen und Standpunkte werden gesammelt und zu einem Bild zusammengefügt“, erklärt Margarethe Rüf. Quelle Titelbild: Shutterstock
Kleine Handgriffe mit großer Wirkung
Mira strampelt fröhlich vor sich hin. Sie ist aufgeregt – gleich zeigt sie Babsi Kirschner, welche Fortschritte sie seit ihrem letzten Treffen gemacht hat. Mira ist sechs Monate alt, Babsi Kirschner ist Kinderphysiotherapeutin an der Klinik Innsbruck. Seit Miras Geburt arbeiten die beiden an ihrer Bewegungsentwicklung. Während der Therapieeinheit erzählt die Physiotherapeutin von ihrer Arbeit. Warum brauchen Babys Physiotherapie? Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Säuglinge und Kinder bei uns in Behandlung sind. Manchmal entstehen Probleme rund um die Geburt, das können Blutungen während der Schwangerschaft oder eine Frühgeburt sein. Auch das Gewicht ist ein entscheidendes Kriterium für Physiotherapie, denn alle Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 1,5 Kilogramm zählen zur Risikogruppe. Wird beim Kind eine Beeinträchtigung festgestellt, kann es sich in der motorischen Entwicklung schwer tun. Gerade diese Babys möchten wir genau beobachten und begleiten. Mira und ich arbeiten an ihrer funktionellen Asymmetrie, die durch ihre Muskelhypotonie verstärkt hervortritt – dafür sehen wir uns alle zwei Wochen. Bei einer Muskelhypotonie fehlt es den Babys an Muskelstärke und -spannung. Das Baby rinnt mir dabei sprichwörtlich durch die Finger. Bei der funktionellen Asymmetrie schaue ich besonders darauf, ob das Kind seine Arme und Beine symmetrisch einsetzen kann oder den Kopf auf beide Seiten gleich weit dreht. Wann ist der richtige Zeitpunkt, um mit einer Therapie zu starten? Das lässt sich schwer eingrenzen. Kinder, die einen schwierigen Start haben, werden direkt von der Geburt weg, bereits auf der Intensivstation von uns betreut. Neben den stationären Patienten der Kinderklinik kommen aber auch viele ambulant zu uns. Grundsätzlich lassen wir den Neugeborenen und ihren Eltern ein, zwei Wochen Zeit, um mal zuhause „anzukommen“. Außer sie haben mit der Atmung Probleme, dann starten wir bereits früher, denn Bewegungs- und Atemtherapie gehen Hand in Hand. Asymmetrien sind nicht immer eindeutig erkennbar – gerade wenn es das erste Kind ist, tun sich Eltern schwer, das richtig einzuschätzen. Auffällig wird es meist dann, wenn das Baby z. B. beim Stillen den Kopf nicht auf die andere Seite bewegen kann oder an einer Brust nicht trinkt. Mira ist bereits von der Station weg bei mir in Behandlung. Wie lange dauert die Therapie? Wir in der Physiotherapie begleiten die Kinder meistens bis zum freien Gehen, denn in dieser Zeit tut sich sehr viel in der Entwicklung. Wenn sich das Kind gut entwickelt, legen wir die Therapie großmaschig an. Da reicht es, wenn wir alle vier bis sechs Wochen eine Einheit vorsehen. Die Abschlussuntersuchung machen wir ca. sechs Wochen nach freiem Gehen, so haben die Kinder genug Zeit die neu erlernten Bewegungsabläufe zu festigen. Danach schaut sich ein Arzt das Kind nochmals an und entlässt es aus der Therapie. Auch die Zuweisung erfolgt immer über einen Arzt. Wie läuft eine Therapieeinheit ab? In der Therapie fördern und unterstützen wir die sensomotorische Entwicklung, damit das Kind im Alltag möglichst selbständig sein kann. Die Behandlung erfolgt im Regelfall in Zusammenarbeit mit den Eltern. Beim ersten Treffen gehe ich auf die Eltern ein – haben sie Fragen oder Bedürfnisse, sehen sie ein Problem? Mir ist es wichtig, dass sie sich wohl fühlen und mir vertrauen, denn ohne die Eltern bin ich hilflos. Ich lasse mir ihre Geschichte erzählen: Wie war die Geburt, die erste Zeit? Wie schläft das Baby? Trinkt es ausreichend? Speziell wenn Kinder nicht in der Klinik geboren wurden, sind diese Informationen für mich eine wichtige Grundlage. Ich schaue mir auch an, wie die Eltern mit dem Kind umgehen – wie sie es halten, hinlegen oder ausziehen. Denn bei diesen Kleinigkeiten können sich, gerade wenn eine Asymmetrie vorliegt, ganz leicht unbewusst Fehler einschleichen. Und ich beobachte natürlich auch, wie sich das Baby alleine verhält. Wie liegt es da, ist es unsicher oder unzufrieden? Jedes Kind muss mit seinen speziellen Bedürfnissen, Problemen und Ressourcen gesehen werden. Auf Basis dieser vielen Puzzleteile plane ich eine passende Therapie. Auch die Dauer der Einheit variiert, je nachdem wie gut das Kind mitmacht. Manchmal schläft es ein oder ist hungrig. Da muss man flexibel sein. Nach welchem Konzept wird gearbeitet? Ich arbeite nach Bobath in der Pädiatrie. Dieses Konzept basiert auf neurophysiologischen Grundlagen, ist auf motorisches Lernen aufgebaut und bezieht das gesamte Umfeld, also die Familie und das Setting zuhause mit ein. Bei Bobath geht es um Handgriffe, die bestimmte Muskelgruppen ansprechen und damit die Position des Babys stabilisieren. Ziel ist es, dass das Kind durch Unterstützung bestimmte Bewegungen erlernt. Diese Unterstützung wird sukzessive abgebaut, bis es die Bewegung alleine kann. Später geht es dann weniger um Griffe, sondern viel mehr um die Umgebungsgestaltung. Das können Hindernisse am Boden sein oder verschieden hohe Ebenen, auf die das Kind klettern soll. Das lässt sich daheim gut umsetzen. Natürlich gibt es auch noch weitere Konzepte, nach denen in der Physiotherapie gearbeitet wird, etwa Vojta oder Therapie nach Castillo Morales. Es kommt ganz auf den Elterntyp oder auf das Kind selbst an – wir wählen das Konzept, das zur Familie passt. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen spielt in meinem Beruf eine wichtige Rolle. Unser Team besteht aus Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten und Psychologen. Manchmal braucht es einfach ein weiteres Paar Hände. Und mit Hilfe meiner Kollegen können wir unsere kleinen Patienten umfassend behandeln. Was können Eltern zur Therapie beitragen? In der Therapieeinheit erarbeiten wir gemeinsam Übungen. Die Eltern probieren die Handgriffe selbst aus, um sie zuhause gut umsetzen zu können. Sie sollen verstehen, warum wir was machen und was wir dadurch erreichen möchten. Diese Übungen lassen sich auch gut in den Alltag integrieren, z. B. beim Wickeln oder nach dem Baden. Die Eltern müssen sich nicht extra eine Stunde Zeit nehmen, um mit dem Kind zu trainieren. Aber es ist wichtig, dass sie diese Übungen immer wieder einbauen, denn es bringt nichts, wenn ich das Kind eine Stunde pro Wochen behandle und zuhause nichts passiert. Da stehe ich auf verlorenem Posten. Miras Eltern sind besonders dahinter – sie hat bereits viele Fortschritte gemacht. Mir ist es auch wichtig, dass Eltern die Umgebung kindgerecht und die Therapie spielerisch gestalten. Das ist gewollt und entspricht dem Alltag von Kindern. Sie sollen sich selbst und die Umwelt entdecken. Denn wenn sie Dinge ganz alleine können, macht das auch was mit ihrem Selbstwert. Für mich gibt es nichts Schöneres, als sich Zeit zu nehmen und in Ruhe sein eigenes Kind zu beobachten. Man ist oft überrascht, was der Sprössling schon so alles kann. Bilder: Seiwald