Der Sturz im Alter: Ein Fall mit Folgen?

Frühe Mobilisierung ist nach einer Operation das Wichtigste.

Statisch und gedämpft scheinen die Neonröhren. Im dünnen Plastikschlauch rinnt das Narkosemittel stetig. Gerlindes niederschmetternde Diagnose Oberschenkelhalsbruch schmerzt schon weniger. Der Sturz im Alter ist häufig: Frakturen von Oberschenkeln, Rippen, Handgelenken, Unterarmknochen und Wirbeln sind tägliches Brot der Unfallchirurgen. Ungefähr 30 Prozent der über 65-jährigen stürzen jährlich; 12.000 Menschen erleiden eine Schenkelhalsfraktur. 20 Prozent der Betroffenen sterben an den Folgen; 30 Prozent bleiben behindert; 50 Prozent werden wieder so mobil wie vor dem Sturz. Gerlinde kennt diese Zahlen nicht. Sie schläft.

Warum stürzen ältere Menschen?

Die Nähe zum Patienten schafft Vertrauen und beschleunigt den Heilungsprozess.
Die Nähe zum Patienten schafft Vertrauen und beschleunigt den Heilungsprozess.

Gerlinde leidet unter Blasenschwäche. Mit schnellem Schritt zur Toilette verhaspelt sie und fällt. Ein Sturz ist meistens multifaktoriell. 80 bis 90 Prozent aller Stürze resultieren aus einer Kombination von Vorerkrankung und Altersveränderung. Neben dem natürlichen Prozess der schwindenden Muskelkraft, fördern Gleichgewichtsstörungen, Blutdruckschwankungen, Herzrhythmus-Störungen, schlechtes Sehen und Depressionen Stürze. Auch Nachlässigkeiten im Alltag sind Risikofaktoren: glatte und nasse Bodenoberflächen, schlechte Beleuchtung, zu lange Hosenbeine, herumliegenden Gegenstände, Unebenheiten wie Türschwellen und Kabel.

Wie können Stürze verhindert werden?

Use it or lose it, schwirrt durch Gerlindes Kopf. Der eingängige Reim bedeutet: Risikoverminderung durch Bewegung und Training. Gerlinde hat Glück und wird wieder die Alte. Umso bewusster wird sie ab heute fleißig sein. Die beste Vorbeugung gegen Stürze ist regelmäßiges Tanzen, Thai Chi sowie Kraft- oder Ausdauertraining: Ein täglicher Spaziergang von 20 Minuten stärkt den Körper und den Geist. Fittere Semester wappnen sich mit Nordic Walking, Radfahren und Schwimmen. Treppen bergen erhöhtes Sturzrisiko. Geländer und Handläufe geben Sicherheit und verhindern Verletzungen.

Als einfaches Hausmittel dient gutes Schuhwerk für innen und außen. Socken oder Patschen ohne Gripp sind auch in jungen Jahren gefährlich. Bei Teppichen sind ein Gleitschutz und flachliegende Kanten sehr wichtig. Im Idealfall entfernt man diese Stolperfallen gänzlich aus dem Wohnraum. Der Rückbau von Schwellen bei Türen und Duschen sowie Rutschmatten sind lohnende Investitionen, die schlimme Stürze verhindern und die Mobilität zuhause erleichtern. Ein wesentlicher Sturzfaktor ist schlechte Beleuchtung. In Kombination mit schwächelnder Sehkraft ist hier besonders Vorsicht geboten. Einfache Gehilfen wie Stöcke und Rollatoren geben dem veränderten Gangbild Hilfe und der Balance halt. Wirksam sind Hüftprotektoren, die im Falle eines Sturzes Brüche vermeiden können.

Nach dem Sturz zurück in die eigenen vier Wände

Auf der Chirurgie in Innsbruck wird der operationsfähige Patient nach einem Sturz binnen 24-48 Stunden operiert, um Komplikationen zu vermeiden, die bei langer Nichtbehandlung auftreten.
Auf der Chirurgie in Innsbruck wird der operationsfähige Patient nach einem Sturz binnen 24-48 Stunden operiert, um Komplikationen zu vermeiden, die bei langer Nichtbehandlung auftreten.

Gerlinde steht mit dem High Roller, eine moderne Gehhilfe. Denn frühe Mobilisierung ist nach einer Operation das Wichtigste. Ein alter Mensch, der eine Woche im Bett verbringt, verliert pro Woche ein Kilo an Muskulatur. Ab heute spaziert Gerlinde jeden Tag, denn sie kommt zurück nach Hause. Wie zwei Drittel aller Patienten, die das Tiroler Zentrum für Altersfrakturen behandelt: Hier wird österreichweit Pionierarbeit geleistet. Im akuten Fall einer Fraktur wird sofort abgeklärt, ob Osteoporose vorliegt und welche weiteren Krankheiten der Patient hat. Dazu konsultieren im Team Anästhesist, Unfallchirurg, Geriater und Hausarzt. Der operationsfähige Patient wird innerhalb von 24-48 Stunden operiert, um Komplikationen, die bei langer Nichtbehandlung auftreten, zu vermeiden.

Nach der Operation findet der Patient wieder seine gewohnte Umgebung: mit eigenem Gebiss, eigener Brille, eigenem Hörgerät und den lieben Verwandten. Denn ohne vertrauter Kommunikation ist alles nichts. Auch interdisziplinär bleiben Physiotherapeut, Ergotherapeut und Diätologe nah am Patienten. Und Gerlinde bleibt am Ball. Ihre Gehübungen und ihr Ernährungsplan sind neuer Teil ihres alten Alltags.

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Von in tirol kliniken