Ich muss mich entschuldigen. Auf den ersten Fußball-Blog-Artikel folgt sogleich der nächste. Aber was soll ich tun? Fußball-WM-Zeiten sind eben jene Zeiten in denen sogar die ärgsten Fußball-Antipathisanten (Fußball-Antipathisant = Euphemismus für Fußball-Hasser-Dauer-Nörgler-und-mir-den-Sport-Vermieser) plötzlich Farbe bekennen und sich Leicht-Bier-saufend auf irgendeine Public-Viewing Meile zwängen, nur um dann zu Spanien oder Deutschland zu halten. Ach wie ich … nein egal. Eigentlich geht es hier um ein ganz anderes Thema. Nur so viel. Ich bin Fußball-Liebhaber. (zumindest wieder seitdem ich nicht mehr im Fußball-Business arbeite) Und genau deshalb schreibe ich jetzt den zweiten Fußball-Blog-Artikel innerhalb von wenigen Tagen. Wobei mir der heutige besonders am Herzen liegt. Immerhin ist es ein Appell, ein Wunsch, ein Flehen: „Der Fußball braucht endlich wieder Typen!“
Fangen wir vorne an. Irgendwie hat es nämlich schon etwas bezauberndes, dieses Phänomen, wenn bekennende Fußball-Antipathisanten plötzlich die Eingebung einholt und sie – wie aus dem Nichts – zu grölenden, mitfiebernden und fanatischen Bekehrten werden. Zumindest für den Zeitraum von vier Wochen. Denn in solchen Momenten spürt man, wie sehr der Fußball uns Menschen bewegt. Jeden einzelnen und ganze Massen zugleich. Der Fußball hat Kriege ausgelöst, weil er alteingesessene Konflikte kanalisierte und ihnen eine Bühne gab. Der Fußball war Lautsprecher für politische Botschaften – hässliche, wie wunderschöne. Der Fußball hat Freundschaften, über alle politischen, sozialen, geographischen, finanziellen Grenzen hinweg, ermöglicht. Aber der Fußball hat vor allem eines. Er hat uns eine Sprache geschenkt. Ein Sprache die wir alle sprechen, die wir alle verstehen und die uns untereinander besser verstehen lässt. Fußball ist die Weltsprache. Bunt. Vielfältig. Und friedlich. (eigentlich)
Fußball steht für Leidenschaft – in höchster Intensität und mit enormer Kraft. Wenn ganze Nationen – je nach Spielausgang – in kollektiven Freudentaumel oder in eine gesamtstaatliche Depression verfallen, dann hat das mit großen Emotionen zu tun. Und eben diesen sollte der heutige Fußball auch gerecht werden. Der Fußball darf kein Business werden. Kein Business an dem sich Wenige bereichern und noch Weniger die Entscheidungen treffen. Der Fußball darf keine Industrie werden die unaufhaltbar und mit der Wucht eines Roberto Carlos Freistoßes sämtliche Leidenschaft, sämtliche Vielfalt und sämtliche Emotion niederwalzt. Der Fußball soll kein Hochglanz-Event (in Full, Doppel- und Dreifach-HD) sein, das die bunt blinkenden Werbebanden mehr bestimmen, als die 22 Spieler auf dem Platz selbst und bei dem die sportliche Herausforderung darin besteht – den populären Spielern so viele Sponsoren-Aufkleber wie nur möglich auf den Körper zu pappen.
Nein. Der Fußball lebt von den ehrlichen Emotionen. Er lebt von den Menschen die ihn leben. Von den Menschen die dank ihm Tränen vergießen. Die am Stammtisch immer und immer wieder über die selbe spielentscheidende Szene diskutieren. Die stundenlang auf ein Autogramm mit ihrem Idol warten und vor allem dank jenen, die Woche für Woche ins Stadion pilgern, sich Eintrittskarten kaufen und auch in der größten Krisen noch Farbe bekennen. Jene Menschen die sich nicht finanziell, sondern höchstens emotional an dem Sport bereichern, weil er ihr Leben ist. Denn diese Menschen schenken dem Fußball erst seine Berechtigung.
Und genau dieser Tatsache sollten sich sowohl die greisen Fifa-Funktionäre, als auch die durchaus gut bezahlten Profis bewusst sein. Der Fußball braucht endlich wieder Vorbilder, zu denen unsere Jugend aufschauen kann. Wir lechzen nach Spielertypen, die nicht nur durch den neuesten Haarschnitt, die modernste Jeans, die glitzerndsten Ohrringe oder das größte Tattoo auffallen. Nein. Wir lechzen nach Typen die für etwas stehen. Die ihre Emotion leben. Die zeigen wie wichtig ihnen dieser Sport ist. Die auch abseits des Rasens sich mit dem wahren Leben beschäftigten und Herz zeigen. Nach Typen die Menschen sind. Menschen wie wir. Menschen die die Sprache „Fußball“ sprechen. Oder wieso redet nach dem gestrigen Sieg der Mexikaner kaum jemand über die Torschützen und so gut wie jeder über den Trainer der Mittelamerikaner? Einem – vom Charakter her – schwer formbaren Ex-Spieler, der gestern für sein Land wohl gestorben wäre. (einige sprechen von DEM Trainer der WM 2014 – noch bevor überhaupt der Weltmeister gekürt wurde) Aus nur einem Grund. Weil dieser Herrera Fußball lebt. Weil er weiß wie wichtig er den Menschen (zu Hause) ist. Weil er weiß, dass es nur dem Fußball gelingt – aus Antipathie, Sympathie zu machen.
(c) Titelbild: Getty Images/Robert Cianflone/Fifa
Von Felix Kozubek 2014-06-24 in Gschichten.com