Kultur, Politik, Leben: Das volXklang Festival bot Volks- und Weltmusik vom Feinsten

Ich mag den Kulturbegriff von Markus Lobis, der hinter der Konzertreihe und hinter dem Festival „volXklang“ steht. Für ihn ist Tradition nicht unveränderlich, sondern er schätzt Bands und Musiker_Innen, denen die Tradition als Ausgangspunkt dient, um dieses Material bewusst zu gestalten. Da kommt ihm eine neue Generation von Musiker_Innen gerade recht, die, musikalisch bestens ausgebildet, die Fäden der traditionellen Volks- oder auch Weltmusik bereitwillig aufnimmt und diese zu neuen musikalischen und ästhetischen Ergebnissen zusammenführt und verdichtet. Beim „volxklang“ Festival in Feldafing und Tutzing konnten die „Ergebnisse“ dieses Umgangs mit der eigenen kulturellen und musikalisch Heimat gehört und erlebt werden.

Ich bin der festen Überzeugung, dass sich bereits bei der Person Markus Lobis viel davon ablesen lässt, was „volXklang“ ausmacht. Denn Lobis ist ein politischer Mensch, der sich zwar nicht zwingend irgendeiner bestimmten Partei zugehörig fühlt, doch der es nicht aushält, seine Stimme nicht gegen Ungerechtigkeit und politische Machenschaften zu erheben. Er erhebt Einspruch, mischt sich ein, deckt auf. Er gibt sich nicht damit zufrieden, dass die Dinge so sind, wie sie eben sind. Denn sie könnten auch anders sein. Und der Einzelne hat auch die Pflicht sich einzumischen.

Denn die Kultur, auch die politische, ist ein Ergebnis von Akzeptanz oder Aufmüpfigkeit. Anders gesagt: Jede Gesellschaft hat genau die Politiker, die sie auch verdient. Wer sich immer still verhält und den Stand der Dinge nie anzweifelt, der muss sich auch nicht wundern, wenn alles mit ihm gemacht wird. Wer alles über sich ergehen lässt, der muss sich nicht darüber wundern, dass Entscheidungen hinter den Kulissen getroffen werden und dass die Meinung der Bevölkerung übergangen wird. Markus Lobis erhebt nimmt die Situation, vor allem natürlich in seiner Heimat Südtirol, nicht so hin wie sie ist. Er ist der festen Meinung, dass auch politische (Un)kultur veränderbar ist.

Von der politische Kultur zur Kunst: volXklang“

Ich kann nicht mit Gewissheit sagen, was zuerst da war: Das politische Interesse und die politische „Aufmüpfigkeit“ oder das kulturelle Engagement. Dafür kenne ich Markus Lobis zu wenig. Ich bin mir aber sicher, dass diese beiden Ebenen zusammenspielen und zusammengehören. Denn der Kulturbegriff von Markus Lobis lässt sich direkt von seiner Haltung zur Politik ablesen. Und seine Haltung zur Musik ist durchaus auch als politisch zu betrachten.

Das lässt sich schon allein an der Auswahl der Bands und Musiker_Innen zeigen, die mich am 13.09. nach Feldafing und Tutzing in Bayern zogen. Es standen Sormeh, Hammerling goes Maroc und Alma auf der  Bühne. Zumindest war dies der musikalische Strang, dem ich an diesem Tag folgte. Es wären auch noch andere musikalische Stränge möglich gewesen und das Festival erschöpfte sich auch nicht mit diesem einen Tag, wie „volXklang“ generell über das Jahr verteilt allerhand Konzerte und Konzertreihen auf die Beine stellt. Ich kann also nur von einem Ausschnitt reden und schreiben und von dieser Rezeption gewisse Konzepte ableiten.

Sormeh, Hammerling goes Maroc und Alma bei „volXklang“

Als ich um knapp vor 17:00 in Feldafing eintraf spielten Sormeh. Sormeh ist das persische Wort für Lidstrich. Das Trio besteht aus zwei Iranerinnen und einer Serbin. Diese drei Frauen sind dadurch verbunden, dass es sie alle nach Wien verschlagen hat. Zusammen vertreten sie einen Kunst- Musik- und Kulturbegriff, der mich absolut faszinierte. Hier wurden nicht kleine, authentische Teile dieser oder jener Kultur montiert, sondern sie wurden übereinander geschichtet, kontrastierten sich, wurden vermischt und ergeben so eine interessante neue Vermengung von musikalischen Elementen.

Der kulturwissenschaftliche Begriff dafür wäre wohl Hybridität. Hier treffen keine „reinen“ stilistischen Elemente aufeinander, sondern sie sind an sich schon verfremdet, durch die Brille der musikalischen Bearbeitung schon dem authentischen, kulturellen Kontext entrissen. So entsteht nie die Gefahr der Exotisierung, also einer Musik, die uns zwar als schön, aber irgendwie auch als fremd und unzugänglich erscheint.

So legt man kulturelle Traditionen und kulturelle Entwicklungen trocken und schafft es, musikalische Traditionen erstarren zu lassen. Sormeh hingegen bewegten sich in einem Gemisch der Kulturen im hier und heute in dem es gar nicht mehr möglich oder fruchtbar war, nach der jeweiligen Herkunft zu fragen. Es gab Bezugspunktpunkte. Aber es wurde nie essentialistisch die Abgeschlossenheit einer Kultur behauptet. Alles wurde Sormeh zum Material, zu einem Spielraum der Möglichkeiten. Ein jüdisches Lied aus den 20er Jahren traf auf Lieder mit iranischen Wurzeln und auch der Einfluss des Wiener-Liedes war unverkennbar. Für mich ein absolut fantastisches Konzert und vielleicht auch schon der frühe Höhepunkt des Samstags.

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In Tutzing sollten Hammerling dann später auf den marokkanischen Sänger Youness Paco treffen. Hier war die Vermengung und Vermischung der musikalischen Welten noch weniger ausgeprägt. Es waren Bruchstellen zu hören. Momente, die musikalisch nicht ganz funktionierten. Reibeflächen. Auch Augenblicke, in denen die beiden musikalischen Welten eher kollidierten als eine Symbiose eingingen.

Vor allem die Schlagzeugparts wirkten teilweise wie musikalische Fremdkörper. Letzten Endes sind es aber wohl genau diese Reibeflächen, diese kleine Unebenheiten, die den Kultur-Clash so interessant machen und auch zeigen, dass es in dieser Begegnung nicht immer um Konsens und Harmonie gehen kann. Manches ist auch unüberwindbar und manchmal ist der produktive Dissens die interessantere und gewinnbringendere Variante. Der absolute Drang zum interkulturellen und transkulturellen Miteinander kann manchmal auch problematisch sein. Das schlimmste aber ist, wenn dieser Dialog abbricht. Hammerling haben einen musikalischen Dialog der Extraklasse geboten.

Danach gaben die hochgelobten und vielgepriesenen ALMA ein Konzert. ALMA waren an diesem Abend in Hochform und schienen den wunderschönen Rahmen in der „Evangelischen Akademie“ in Tutzing auch zu schätzen wissen. Begonnen wurde mit einem Jodler, bis sich alles zu einem Rhythmus und zu musikalischen Einflüssen hinbewegte, die nicht mehr exakt bestimmt werden konnten.

Julia Lacherstorfer, der musikalische Kopf der Band, meinte in einem Gespräch vor dem Konzert, dass sie experimentelle, zeitgenössische Volksmusik spielen würden. Das war absolut zutreffend. Hier ist keine traditionelle, bewahrende Haltung im Spiel, sondern ALMA stehen im Hier und Jetzt und interpretieren mit all ihrem musikalischen Wissen und Können die Volksmusik nach ihrem Gutdünken. Nichts ist hier altbacken, sondern vielmehr lebt, atmet und bewegt sich eine Musikform, der man diese Eigenschaften nicht immer nachgesagt hat.

Lediglich ein Aspekt bei ihrem Konzert irritiert mich: Die volksmusikalischen Elemente standen oft in der Funktion der Harmonie, der Ruhe und Idylle, während andere Einflüsse, etwas aus der klassischen Musik oder anderswo her, für Aufregung und Unruhe in den jeweiligen Liedern sorgten.

Ist also die Volksmusik für ALMA das, wo sie sich zuhause fühlen und ihr Sehnsuchtsort? Dieser Sehnsuchtsort wird natürlich von anderen musikalischen Welten umspielt, letztlich bleibt das Begehren diesen ästhetischen Ort zu erreichen aber aufrecht. Vielleicht ist der Ansatz von ALMA also sich ihre musikalische Heimat und ihre musikalische Wurzeln neu zu erschaffen und neu zu erspielen. Das Konzert wurde jedenfalls frenetisch bejubelt. Durchaus zu Recht.

Damit fand der von mir verfolgte Strang des Festivals sein Ende. Aber allein bei diesen Konzerten wurde gezeigt, wie Markus Lobis Kultur, Volksmusik und Tradition betrachtet und wie er in der Programmierung des Festivals damit umgeht: Kultur und damit auch Volksmusik und Weltmusik sind veränderbar. Der Einzelne, also selbstverständlich auch die Musikerinnen und Musiker, müssen Stellung und Haltung beziehen. Sie müssen sich positionieren in einem veränderlichen, lebendigen Raum um diesen Raum lebendig zu halten.

Damit gelingt es auch, die Volksmusik nicht den Traditionalisten und Bewahrern oder gar den politisch Rechts-Stehenden zu überlassen. Allein für dieses Engagement kann man Markus Lobis nicht genug danken. Ich bin mir sicher, dass er auch in Zukunft seine Stimme erheben wird: Sei es in politischen Diskussionen und sei es in Sachen Musik. Und das ist auch gut so.

Kultur, Politik, Leben: Das volXklang Festival bot Volks- und Weltmusik vom Feinsten
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Von in Gschichten.com