Es gibt so Tage, ja ganze Wochenenden, an denen steht die ganze Stadt Kopf. Das reinste Theater. Die Vorstellung beginnt unerwartet. Mitten in Innsbruck. Kinder springen fröhlich umher und schmieren sich unbeirrt ihr Eis ins Gesicht. Die Gastgärten sind brechend voll. Touristen sind auf der Suche nach Restaurants und Bars in denen nur Einheimische sind. Die Einheimischen sitzen in den stadtbekannten Touristenfallen und trinken ihren Spritzer für Preise die für Touristen gedacht waren. Die Homosexuellen treffen sich am Marktplatz. Diejenigen mit dem Vespafetisch nahe der Polizeidirektion. Es gibt so Tage an denen steht die ganze Stadt einfach nur Kopf. Es gibt so Wochenenden die bleiben einem im Schädel.










Alles begann mit dem Theater vor dem Theater, das kein Theater war, sondern ein dauerhafterer (drei bis vier Tage) Lese-Flashmob der wieder mehr Stadtlesen als Stattlesen in die Stadt bringen sollte. Der stadt- und darüber hinaus bekannte Autor Bernhard Aichner las vor. Die Bürgermeisterin hörte zu und kaufte ein Buch. Ich war dabei. Theater vor dem Landestheater. Im Artikelbild der halbe Blick auf die Bühne. Hier unten der Blick weit über die Bühne hinweg.
Vor lauter urbaner Kultur dachte ich mir, ich muss raus, raus aus der Stadt, raus aus dem Kopf, rauf aufs Lanserköpfl, da wo man nicht weit gehen muss und dennoch weit weg ist. Ich stand Kopf, denn die Bühne war nicht hochkarätig besetzt, aber das Bühnenbild dafür umso grüner. Wir zwei (der Julian und ich) nur zwei kleine Statisten. Aber stolz. Wie sportlich wir doch die Bühne erklommen hatten.
Vor lauter Ruhe hatten wir abends dann doch noch Lust auf Theater. Das Weinfest eine tolle Bühne. Stadtliche und stattliche Menschen nutzen das einmalige und jährlich wiederkehrende Stück und verwandelten die mittelalterlichen Wege zu wahren Gassenhauern. Wer Mitten auf der Bühne steht, verliert schnell den klaren Blick. All die Leute. So viel Text. So viele Handlungen. Weingetränkte Komödie in vielen Akten.
Vor lauter Vorfreude bin ich frustriert. Bunte Schirme lenken von den bunten Häusern ab. Bunte Leute lenken sich selbst ab. Der Blick immer noch trüber. Ohne auch nur einen Schluck Wein genoßen zu haben, schnell runter von der Bühne. Weinfest ade.
Vor Lauter Frust geht es weiter und rein in das nächste Vergnügen. Eine Art Kabarett fürs Volk. Ein wahrer Genuss. Ruhiger. Beschaulicher. Echt und unterhaltsam. Ein Darsteller mit zweien die es gerne wären. Zwei Vespas, Vespen, wie auch immer. Zwei zweireifige Vehikel die zu später Stunde noch brav ihren Job erledigten und den Ohrenschmaus der aus den Boxen drang ertrugen. Volksfestcharakter, nur wenige Gehminuten vom Weinfest entfernt. Stadtleben eben.
Vor lauter guter Musik. Auch hier. Ein dankbares Theater-Publikum, das schaukelte, wippte, sang und sich erfreute.
Vor lauter Überraschung. Am Weg nach Hause noch ein altbekannter Kopf. In Überlebensgröße. Ich kannte ihn als Freund. Als Fußballer und Wirt. Ich habe ihn verkannt. Den Herren Müller. Oder war es das Stück das sich so nannte?
Vor lauter Müdigkeit. Die Nacht war zwar eine ruhige, doch die ersten Gedanken noch nicht ganz wach, schon fand ich mich mit einem Ball unter meinen Füßen auf der nächsten Bühne. Auch hier erwartete mich Theater. Statt dem erwarteten Heimsieg im Stadtderby das keine war – 15 Gegentore die zum wahren Drama führten.
Vor lauter Harmonie waren wir die Getäuschten. Dabei sollte das Stück so schön beginnen. Die Schauspieler zollten sich Respekt. Daraus wurde wie soeben erwähnt ein Drama in zwei Akten mit vielen Tiefen, Schweiß und Tritten. Die Zuschauer johlten, sangen – alle beide. FC Tasmania 2013 Innsbruck Hauptdarsteller.
Vor lauter Theater. Der Schlussakt – erst am Montag. Das Stück noch kaum verdaut und nie verstanden. Doch ich war dabei. Ich habe es erlebt. „Die ganze Stadt stand Kopf“, hieß es. Innsbruck, oh du mein Innsbruck. Oder so. Egal. Ein Kaffee muss her. Mir war das alles einfach viel zu viel Theater.
Von Felix Kozubek 2014-09-8 in Gschichten.com