Conchita Wurst hat in Innsbruck kürzlich ein „Gratiskonzert“ am Sparkassenplatz gegeben und wurde frenetisch gefeiert und bejubelt. Dagegen ist auch nichts zu sagen. Von wegen Toleranz und jeder darf so sein wie er ist und so weiter. Das ist schön. Und ein Fortschritt im nicht gerade für progressive Ansichten in Bezug auf alternative Lebensentwürfe bekannten Österreich. Indes muss die Frage erlaubt sein: Mussten hier wirklich (kolportierte) 30.000 Euro für ein Konzert mit ganzen fünf Liedern beim Fenster hinaus geschmissen werden?
Ja doch: Conchita Wurst alias Tom Neuwirth alias Conchita Wurst hat uns einen perfekten TV-Moment beschert. Ihr Auftritt beim Songcontest war ein solcher Augenblick, nicht nur weil wir Österreicher sind und irgendwie tief im Herzen jeder von uns ein paar patriotische Überbleibsel hat, die bei einem möglichen Sieg von Österreich beim Songcontest dann hervorkamen. Nein, auch deshalb weil sowohl vom Lied als auch vom Liedtext hier etwas passierte, das nicht jeden Tag passiert. Mit Inbrunst gesungen: aber hallo. Authentisch: Aber definitiv.
Man merkte Conchita an, dass ihr der Text persönlich ein Anliegen war und dass sie, getragen von einem Auftrag, einer Mission, tatsächlich alles gab. Die Zeit war reif für einen Sieg von Conchita. Das Lied war außerdem einem perfekten Mainstream-Popsong tatsächlich sehr nahe. Und auch gesanglich kannte sie an diesem Abend absolut keinen Gegner. Im Anschluss an den Songcontest und auch in den Wochen und Monaten danach hat sie einige eloquente und gar nicht unkluge Interviews gegeben. Was ja auch beim besten Willen nicht selbstverständlich ist.
Conchita Wurst in Innsbruck: Wie viel Toleranz hätten´s denn gerne?
So weit so gut. Was mir aber sauer aufstößt ist die Inszenierung von Conchita Wurst als Künstlerin und Musikerin. Sie mag ein Aushängeschild für Toleranz sein. Eine gute Musikerin ist sie deshalb aber noch lange nicht. Bricht man es runter auf eine objektive Ebene dann bleibt aus meiner Sicht relativ wenig übrig. Auf der Haben-Seite steht dann: 1 sehr gutes Lied (Rise like a phoenix) und einige schlecht ausgewählte und auch nur mittelmäßig vorgetragene Songs, die ich eigentlich gar nicht wieder hätte hören wollen. Vor allem „My Heart Will Go On“ steht auf meiner Liste der übelsten Pop-Songs aller Zeiten ganz weit oben.
Über Geschmack lässt sich aber bekanntlich vortrefflich streiten. Nicht jedoch darüber, dass es Gerüchten zu Folge ganze 30.000 Euro gekostet haben soll, dass die verehrte und fast schon heiliggesprochene Conchita zu uns in Innsbruck herabsteigt. Eine Frage, aus rein künstlerische Sicht: 1 für sie geschriebener Song und 4 Coverversionen rechtfertigen diesen Betrag? Ich zweifle daran. Auch in der Hinsicht, dass hier Geld beim Fenster hinausgeworfen wurde, um den unkritischen Mainstream-Hörer zu befriedigen, der dem geraden aktuellsten Trend hinterher hechelt.
Denn auch das ist, neben dem ganzen Toleranzgedanken, im Moment Conchita Wurst: Eine Künstlerin, auf die sich aufgrund ihrer musikalischen und künstlerischen Belanglosigkeit viele einigen können und sich dabei auch noch mit dem Attribut „tolerant“ und „weltoffen“ schmücken können. Musik, die niemandem weh tut und bei deren hören man sich auch noch gut und moralisch ein kleines bisschen überlegen fühlen darf.
Mein Gedanke jedenfalls: Das Geld wäre anderswo besser und vor allem nachhaltiger aufgehoben gewesen. Das Konzert von Conchita wird abgesehen von der temporären Zufriedenstellung der breiten Masse keine Spuren im Innsbrucker Kulturleben hinterlassen. Und, wie es aussieht, werden andere Kulturtreibende, die seit Jahrzehnten auf qualitativ höchstem Niveau arbeiten zunehmend finanziell kürzer und kurz gehalten. Auch in dieser Hinsicht ist das Konzert von der seligen Conchita nicht unbedingt das, was man sich wünscht. Ich persönlich wünsche mir jedenfalls Geld für hochwertige Kulturarbeit in Innsbruck, für kleine und sehr feine Veranstaltungen und nicht für populistische Schnellschussaktionen der Marke Gratiskonzert von Conchita Wurst, das ja alles andere als Gratis war. Umsonst war es aber in mehrfacher Hinsicht allemal.
Von Markus Stegmayr 2014-07-18 in Gschichten.com
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