Ohne Heiligenblut und dem Großglockner wäre ich wahrscheinlich gar nicht auf der Welt. Wieso ich das behaupte? Dazu gleich mehr. Fangen wir von vorne an. Gestern waren wir noch in Matrei in Osttirol und damit westlich des Großglockners. Heute geht die Reise – quer durch den Nationalpark Hohe Tauern – weiter. Wir fahren das enge und dünn besiedelte Iseltal flussabwärts, immer entlang der vielen Radwege, Wiesen, Wälder und kleinen Dörfer, bis endlich Schloss Bruck und damit die Sonnenstadt Lienz im Blickfeld auftaucht. Leider bleibt dort keine Zeit um am Bauernmarkt vorbeizuschauen. Wir queren den Lienzer Talboden und biegen ostwärts auf den Iselsberg, bis wir die Grenze zwischen Tirol und Kärnten erreichen.
Zielsicher geht’s nun durch das Mölltal hinauf Richtung „Glockner“. Doch bevor wir die wunderschöne Großglockner Hochalpenstraße mit ihrem einzigartigen Flair „entlangcruisen“, machen wir noch einen kurzen Stopp in Heiligenblut. Wie bereits eingangs erwähnt, ein geschichtsträchtiger Ort, historisch und für mich – auch familiär. Wir parken das Auto kurz vor der steil ansteigenden, großen Kurve die bereits ein erster Vorbote dessen ist, was uns weiter oben erwartet. Eine kurvige, hochalpine Panoramastraße in Mitten von Natur, Natur, Natur. Vor dem Anstieg bummeln wir aber noch kurz durch das kleine Dörfchen mit seinen vielen Wintersport- und Souvenirgeschäften. Das Ortsbild prägt die markante Pfarr- und Wallfahrtskirche des heiligen Vinzenz. Dort stoßen wir zufällig auf eine Gruppe älterer deutscher Touristen die gerade an einer Führung teilnimmt – wir lauschen aufmerksam und erfahren Interessantes.
Der Name Heiligenblut hat anscheinend eine besondere Bedeutung. Die Legende beginnt im Jahre 914, als ein dänischer Prinz auf dem Rückweg von Konstantinopel in dieser Gegend von einer Lawine verschüttet wurde. Seinen wertvollsten Besitz, eine Ampulle mit dem Blut Christi, hatte er sich in seine Wade einwachsen lassen. Obwohl unter den vielen Schneemassen begraben, wuchsen der Legende nach drei Ähren aus dem Boden. Ortsansässige Bauern fanden so den fremden Prinzen und wollten ihn begraben – doch sein Bein wollte und wollte nicht unter der Erde bleiben. Als sie genauer hinsahen, fanden sie die Reliquie mit dem „heiligen Blut“. Diese wird bis heute im Sakramentshaus aufbewahrt. Eine ausgefallene Geschichte um zu seinem Namen zu kommen. Doch ausgefallene Geschichten, geprägt von den Naturgewalten, den Schneemassen und der rauen Umgebung, hat Heiligenblut einige zu bieten. Eine davon berührt mich selbst besonders. Eine Liebesgeschichte ohne die ich heute wahrscheinlich keine Texte schreiben würde. Die Geschichte meiner Großeltern.
Als mein Großvater, nach Kriegsende, irgendwann im Jahr 1945 zu Fuß den Heimweg von Griechenland nach Schlesien antrat, stand ihm ein gewaltiger Berg im Weg – der Großglockner. Der damalige Winter war hart und schneereich. An eine Glockner-Überquerung war nicht zu denken. So überwinterte er in Heiligenblut am Großglockner – dachte er zumindest. Um sich ein Zimmer leisten zu können arbeitete er in einer Pension als Hausmeister, die gleichzeitig auch seine Unterkunft war und als „Dorfarzt“. Er war als Kriegssanitäter gut ausgebildet und hatte noch viele nützliche Utensilien in seinem Medizinkoffer. In der Pension arbeitete aber nicht nur er, sondern auch eine junge Kellnerin. Aus den beiden sollte, nach nur einem Winter, ein Liebespaar werden. Trotz seiner Jugend und der Sehnsucht nach der eigenen Familie, entschied er sich für seine große Liebe und kehrte nie wieder nach Hause zurück. Gemeinsam zogen die beiden Verliebten wenig später nach Lienz und gründeten eine Familie. Mein Glück!
Ja. Nun bin ich also hier. Der Enkel ist nun auch endlich an dem Ort, an dem sich seine Großeltern einst trafen, angekommen. Ein unbeschreibliches Gefühl. Ich kann mir kaum vorstellen wie es hier zur damaligen Zeit ausgesehen haben muss. Heute ist die Region rund um Heiligenblut am Großglockner eine klassische, zweisaisonale Tourismusregion. Im Sommer wie im Winter kann man hier Einzigartiges erleben. Trotz der spürbaren Ursprünglichkeit und der – durchaus – unberührten Natur ermöglichen moderne Liftanlagen, auch den passivsten Sportlern, das Abenteuer „Glockner“. Neben Skigebieten die jedem Wintersportler ein Lächeln ins Gesicht zaubern, erlebt man hier aber vor allem im Spätsommer Eindrückliches. Wer die hochalpine Höhenstraße bis zum Ende fährt wird mit dem Blick auf Österreichs größten Gletscher belohnt. Die acht Kilometer lange Pasterze ist ein einzigartiger Lebensraum – dünne Luft, beeindruckende Fels- und Eisformationen, majestätische Steinböcke und gar nicht so ängstliche Murmeltiere inbegriffen.
Von Felix Kozubek 2014-06-29 in Gschichten.com
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Nina