Schnaps ist so eine Sache für sich. Irgendwie haftet dem Hochprozentigen ein verstaubtes, verruchtes Image an. Wenn ich an Schnaps denke, dann kommen mir zu allererst die penetrant nach Obst duftenden, scharfen Gesöffe in den Kopf. Diese klaren Flüssigkeiten in den durchsichtigen Flaschen, deren Etiketten irgendjemand in Paint gebastelt zu haben scheint. Schnaps trinken nur drei „Arten“ von Menschen: alte Männer, Musikanten/Schützen und Alkoholiker. Wer halbwegs Stil hat oder auch nur auf irgendeine Art und Weise etwas auf sich hält, verzichtet auf das höllisch brennende Zeug.
Schnaps war nicht nur bei uns zuhause verpönt. Auch in meinem Freundeskreis wurden hochprozentige Getränke weitestgehend gemieden. Außer an Polterabenden oder sonstigen Veranstaltungen, an denen man die guten Manieren gerne einmal vergisst. Dann griff man aber auch allerhöchstens zu Tequila, Averna oder Ramazotti. Nie aber zu typischem Schnaps Marke Österreich. Kein Obstler, kein Williams, kein „Marilleler“.
Seit einiger Zeit hat dafür der Whisky seinen Weg in meinen Getränkeschrank gefunden. Und ich war alles andere als ein großer Fan. Eine Fernsehdokumentation über das Whisky-Brennen hat mich umgestimmt. Darin wurde nicht nur anschaulich berichtet wie aufwendig Whisky hergestellt und gelagert wird, auch die Mythen und Legenden die sich um das schottische Nationalgetränk ranken, wurden nacherzählt. Das hat mich so nachhaltig fasziniert, dass ich mir eine Flasche des rauchigsten aller Whiskys gekauft haben. Nicht unbedingt der einfachste Einstieg, aber ein möglicher. Mittlerweile umfasst meine Whiskysammlung stolze 60 Flaschen. Darunter erlesene Tropfen aus allen Regionen Schottlands, aus Irland, den USA, Japan und Deutschland. Nur österreichischer Whisky fehlt noch. Und ja, die Österreicher haben das Whiskybrennen nun auch für sich entdeckt. Sogar wir Tiroler stellen Qualitätswhisky her.
Tiroler Schnaps: wer hat hier bitte geschlafen?
Gemeinsam mit Freunden war ich auf unzähligen Whiskyverkostungen, bei Veranstaltungen der ehrwürdigen Scotch Malt Whisky Society, habe meine Nase in allerhand Nosing-Gläser gesteckt und so manchem Fachmann zugehört. Whisky strahlt eine Faszination aus, die mich bis heute nicht mehr losgelassen hat. Whisky ist so etwas wie der Picasso unter den Spirituosen. Wild, frech und dennoch stilvoll, ein Klassiker und trotzdem innovativ. Hier ein Beispiel guter Werbung dazu:
Der klassische Schnaps dagegen ist so inspirierend, wie die millionenfach gedruckten Postkartenmotive mit lustigen Sprüchen darauf oder der Wandteppich in Omas alter Wohnung. Sorry, aber selbst der Gin, der derzeit ja einen enormen Hype erfährt, der Rum und sogar der umstrittene Absinth haben da mehr Charme und Popularität.
Doch woran liegt das bitte? Schnaps ist so eng mit der österreichischen Seele verbunden, wie Schützen und Lipizzaner. Und diese beiden Dinge werden ordentlich vermarktet. Doch beim Schnaps scheint das Hirn auszuschalten. Die jungen Leute trinken am Wochenende lieber Wodka mit Energyschuss, Rum- oder Whisky-Cola in rauen Mengen, anstatt sich eine regionale Spirituose zu gönnen. Wer hat hier also geschlafen und wie will man da jemals wieder aufholen? Braucht es erst einen Skandal, wie ihn die rot-weiß-roten Winzer geliefert haben, bevor man umdenkt und Schnaps endlich als hochprozentiges UND hochwertiges Genussmittel produziert und vermarktet?
Von Felix Kozubek 2016-11-4 in Gschichten.com
Pingback: Liebe Mitläufer und Spirituosen-Hipster: Hörts mir auf mit eurem Gin und Whisky!()