An einem fast normalen Montag machte ich mich mit meiner Kollegin Caroline auf, um einen Bestseller Autor zu treffen. Als Ort unseres Meetings wählten wir das Café einer namhaften Bank, weil Banker ihres Zeichens ja recht unaufdringlich sind. Bernhard Aichner ragt knappe zwei Meter in den Himmel, ist aber alles andere als bedrohlich sondern ein echt netter Kerl. Sein coverfähiges Lächeln und die ungeschminkte Lockerheit unterstreichen seine schüchtern, charmante Art. Ich habe das Gefühl, ihn schon länger zu kennen. Mögen muss man ihn alleine schon seiner Art wegen. Es kam mir so vor, als würde ich einen guten alten Bekannten treffen. Einen Freund, den ich schon länger nicht mehr gesehen hatte und ich freute mich darauf, dass wir uns endlich gegenseitig erzählen konnten, was in den letzten Jahren so geschehen war. Er wurde zum Bestseller Autor. Ich führe Interviews. Ganz einfach.
Nun sitzen wir also an einem Tisch mit Bernhard Aichner, trinken Kaffee und Wasser. Ohne Vorspiel geht es rein in das Vergnügen. Gleich die erste Frage. „Wie geht es dir?“ „Danke. Gut. Sehr gut sogar.“ Ein lockeres Gespräch nimmt seinen Verlauf. Mich interessiert weniger sein aktuelles Buch. Vielmehr will ich wissen wie Bernhard Aichner arbeitet. Wann kommen ihm die Ideen? Wie entsteht eine Geschichte? Wieso schreibt er überhaupt? Er scheint für seine Antworten nicht lange zu überlegen. Keine abgedroschenen Floskeln. Keine Sätze die schon hundert Mal vorher gesagt wurden. Seine Antworten klingen authentisch. Nicht geradlinig. Irgendwie mit Ecken und Kanten. Ab und zu verrennt er sich sogar bei einer Formulierung. Nicht etwa weil ihm ein Begriff fehlt, vielmehr, weil die Antworten echt sind. Nicht einstudiert.
Die Grundaufgaben eines Autors
Er erzählt mir, dass jedes Buch, jede Geschichte – für ihn – mit dem Beobachten von Menschen beginnt. Das sei eine der Grundaufgaben eines Autors. Menschen zu studieren. „Wieso kaut die Dame am gegenüberliegenden Tisch an ihren Nägeln? Was beschäftigt sie? Hat sie etwas Traumatisches erlebt?“ Schon fügt sich ein Gedanken an den anderen. Ein Bild ensteht im Kopf. Ein Charakter. Mit Geschichte. Mit Tiefe. Genau das liebe er so an der Schreiberei. Egal wo auf der Welt man gerade sitzt. Ein Schreibblock und ein Stift genügen und schon entsteht etwas. Etwas neues. Schönes. Dramatisches. Berührendes.
Das Schreiben hat ihn nie losgelassen. Ihn schon immer glücklich gemacht. Doch die Sprache brauchte Zeit zum Reifen. „Es gibt Menschen. Die haben die Gabe schon mit 17 wunderbare Bücher zu schreiben. Ich wusste auch, dass ich einmal ein Buch schreiben werde. Dass ich das kann. Mein Weg war aber der der kleinen Schritte. Am Anfang waren es kurze Texte. Weil einfach nicht mehr ging.“ Heute braucht er ein knappes Jahr, um ein Buch zu schreiben. Er ist dabei sich und seiner Sprache treu geblieben. Sein Stil ist natürlich gewachsen. Kurz. Schnell. Sein Erzähltempo reißt einen unweigerlich mit. Die Geschichte geschieht noch bevor sie für den Leser richtig begonnen hat. Faszinierend. Wahrscheinlich das Geheimnis für seinen Erfolg.
Die Macht über Tod und Leben
Das Gespräch wird sehr persönlich. Er erzählt uns davon, dass ihm seine Figuren mit der Zeit sehr ans Herz wachsen. Wie sie Freunde für ihn werden. Freunde über die er richten darf. Freunde deren Schicksal er beeinflusst. Direkt. Ohne Ausnahme. Er lässt sie in Geschichten spielen. Lässt sie sich freuen. Schenkt ihnen wunderbare Momente und entreißt sie ihnen wieder. Als Autor hat er die Macht über Tod und Leben zu entscheiden. Über Glück und Trauer. Eine enorme Verantwortung und „Lust und Laster zugleich.“ „Wenn meinen Figuren schlimme Sachen passieren. Denke ich mir schon. Pah – ist das wild. Und ich bin letztendlich dafür verantwortlich.“
Ich frage ihn ob er Druck verspürt. Bei all dem Hype um seine Person. Immerhin ist er der erklärte Hoffnungsträger für die komplette österreichische Literaturszene. Er soll die skandinavische Krimi-Vorherrschaft endlich beenden. Eine enorme Aufgabe. Er quittiert das auf seine Art. Je größer der Druck, desto breiter sein Lächeln. Immerhin habe er jahrelang daraufhin gearbeitet. Gelesen zu werden. Von möglichst vielen Menschen. Diese zu berühren. Zu begeistern. Zu unterhalten. Ein Ziel das nun erreicht ist. Wie es weitergeht? Das Leben sei gerade deshalb so schön, weil es eben nicht planbar ist. Ganz im Gegensatz zu seinen Geschichten. Die sind geplant. Konstruiert. Präzise. Die Spinne hat ihr Netz. Der Autor seines. Handlungen treffen sich. Alles hat seinen Sinn. Ist exakt inszeniert. Intelligent. Aber harte Arbeit.
Am Ende werfe ich seiner charmanten Souveränität noch den Begriff Zweifel entgegen. „Ja. Zweifel habe ich immer mal wieder. Aber Gott sei dank immer nur kurz. Wenn am Ende so viele Fäden zusammenkommen. Dann habe ich schon oft Angst, dass ich nicht mehr zusammenkomme bei Seite 300. Wenn die Spinne ihr Netz webt und am Ende bleibt ein großes Loch. Dann ist das für die Spinne „gscheid bled“. Davor habe ich schon manchmal Angst.“
Zum Schluss plaudern wir noch über Osttirol. Über seinen Dialekt den er bei Lesungen in Norddeutschland etwas zurücknimmt. Und seinen Einfluss bei der Verfilmung seines neuesten Buches. Dann verabschieden wir uns. Alte Freunde haben sich getroffen und einander von ihrem Leben erzählt. Er verlässt das Cafe mit der Foto-Kamera über der Schulter. Er muss noch zu einem Termin. Eine Veranstaltung fotografieren. Hinter der Linse. Danach wird er sich dann für einen seiner ältesten Freunde mal wieder Zeit nehmen. Max Broll. Der nette Depp wartet auf neue Abenteuer. Ich habe meines gerade hinter mir. Ein ganz normaler Montag. Mit Caroline und Bernhard. Ich
Von Felix Kozubek 2015-02-10 in Osttirol