The time they are a changin´, oder: Das „Hochfirst“ in Obergurgl im Wandel der Zeit

Was ist Zeit? Was ist Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft? Die Antwort darauf scheint völlig evident. In der Fernsehserie „Es war einmal der Mensch“ kommt aber eine interessante Aussage bereits in der Titelmelodie vor: „Tausend Jahre sind ein Tag“. Die These dahinter ist einfach und doch einigermaßen komplex: Erst wenn wir Kategorien dafür haben, was Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft überhaupt ist, können wir werten und beurteilen und erst dann sehen wir das Ganze der Entwicklung und nicht nur Teile davon. Auch anhand des „Hotel Hochfirst“ und dessen Entwicklung kann man dies verdeutlichen.

Mit den Kategorien Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft ist es so eine Sache. Was im nächsten Augenblick Vergangenheit ist war eben noch Gegenwart. Und von der Zukunft haben wir ohnehin nur eine recht vage Vorstellung. Die Zukunft ist nur eine Schimäre, auf die wir zum Teil Wünsche, Sehnsüchte und Vorstellungen projizieren. Die Zukunft ist aber auch der Zeitraum, dem wir zuschreiben, dass unsere Wünsche in Erfüllung gehen werden, sich eine Idee oder ein Konzept endlich realisieren lässt oder es zur vollen Blüten kommt. Die Zukunft hängt immer auch eng zusammen mit Glücksversprechen und mit der Idee von Glück. Wir wollen glücklich sein und alles erreicht haben, was wir erreichen wollen. In ein paar Jahren, also in der Zukunft.

Die Vergangenheit wird stattdessen tendenziell verklärt, etwa als gute alte Zeit. Sie ist eine Rekonstruktion von dem, das wir erlebt haben. Rekonstruiert in der Weise, wie wir glauben, dass es gewesen ist. Unsere Erinnerung trügt oft und täuscht uns manchmal. Darum konstruieren wir auch die Vergangenheit. Bei unseren Erinnerungen mischen sich oft Wahrheit und Fiktion. Die Gegenwart ist die „Ungreifbarste“ aller Zeit-Kategorien: Sie ist flüchtig, eigentlich gar nicht wirklich existent. Und wenn, dann nur für einen Augenblick.

Theoretisch müssten wir diese Kategorien von Zeit gar nicht haben. Wir könnten auch in einem zeitlosen, amorphen Jetzt leben, das weder Vergangenheit noch Gegenwart noch Zukunft kennt.

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Hotels „Hochfirst“ in Obergurgl

Was aber würde passieren, wenn wir gar keine wirkliche Vorstellung davon hätten, was Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft überhaupt sind? Was würde passieren, wenn unser Denken und unsere Vorstellung von Zeit anders strukturiert wären? Meiner Meinung nach vor allem eines: Wir bekämen keine Zustände mehr in den Blick.

Wir würden kaum mehr bewerten und einschätzen können, was passiert ist was sich wie entwickelt hat. Wir würden kaum mehr einen Standort finden, an dem die Zeit theoretisch auch stillgelegt werden kann. Ein Rückblick in die Vergangenheit wäre kaum möglich und Zukunftsutopien wären schlichtweg unmöglich. Wir hätten nur mehr einen Blick für den Prozess, für die stetige Entwicklungen, für die Wandlungen und Verwandlung von Dingen.

Ein Denken in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erlaubt es uns schlichtweg, mit diesen Kategorien zu operieren und sie als faktisch anzunehmen. Im Falle des „Hotel Hochfirst“ lässt sich ein Blick zurück werfen, die Gegenwart als Ergebnis und als logische Konsequenz der Vergangenheit verstehen und daraus wiederum lässt sich eine Konstruktion der Zukunft anfertigen. Wir können unseren dreiteiligen Blick an einem Unternehmen oder an einem Hotel ausprobieren und schärfen. Hätten wir nur ein amorphes Verständnis von Zeit, wäre unser Blick unschärfer und unklarer.

Über das 80-Jahr-Jubiläum des „Hochfirst“ in Obergurgl wurde bereits berichtet. Bemerkenswert ist aber vor allem auch noch, wie sich die Ansprüche der Gäste verändert haben und wie das „Hochfirst“ darauf reagiert hat. Die Veränderung ist nämlich hier immer beides: Eine Reaktion auf die Zeichen der Zeit und eine Reaktion auf die Wünsche der Gäste. Zugleich werden aber immer wieder neue Akzente gesetzt und somit aktiv mitgestaltet, wie die Zukunft eines Luxushotels aussehen könnte.

Von 1934 bis ins Heute: Das „Hochfirst“ in Obergurgl

Steigen wir im Jahr 1934 ein. Damals warb das „Hochfirst“ mit folgenden Worten: „Neuerbautes, modernes Haus, Zimmer mit fließendem Wasser, Zentralheizung in sämtlichen Zimmern […]“, und weiter: „Halle, Lichtsignale, Zimmer mit Privatbad.“ An anderer Stelle wird im selben Jahr formuliert: „Hotel Hochfirst ist mit allen neuzeitlichen Bequemlichkeiten ausgestattet […]“. 1969 wurde dann angemerkt: „Gepflegt Essen und Trinken – ein Bestandteil von glücklichen Ferien.“ 1969 würde außerdem geschrieben: „Von gesellschaftlicher Abwechslung sollten Sie nicht Urlaub machen müssen.“ Die 60er Jahre waren es auch, in denen sich Stars wie Udo Jürgens im „Hochfirst“ die sprichwörtliche Klinke in die Hand gaben.

All das ging zum Teil mit Neugestaltungen, Umbauten und Ausbauten einher. Vor allem das riesige Projekt der Generalsierung der Zimmer und Suiten, das von 2011 – 2014 auf dem Plan stand, definiert die Gegenwart des „Hotel Hochfirst“ in Obergurgl. Was lässt sich jetzt also an Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aus dem Material herausholen und ableiten, das mir dankenswerterweise aus dem Archiv des „Hochfirst“ zur Verfügung gestellt wurde?

Ich würde sagen, dass damals, 1934 vor allem die „Grundbedürfnisse“ eines Gastes im Mittelpunkt standen: fließendes Wasser, Zentralheizung und ähnliches sind nichts, über das wir uns heute noch Gedanken machen. Wichtig waren grundlegende Kategorien, die wir heute in einem Haus dieser Klasse voraussetzen: Komfort und Bequemlichkeit. Wellness in der heutigen Form war noch weniger Thema. Wellness verstanden als das MEHR an Komfort und als das, was über die Deckung der „normalen“ Ansprüche der Gäste hinausgeht.

In den „wilden“ 60er Jahren kann man ablesen, dass auch diese vor dem „Hotel Hochfirst“ in Obergurgl nicht Halt machten. Auch damals war Wellness weniger das Thema. Die Gäste suchten zwar natürlich schon Erholung und eben die im heute so oft beschworene „Auszeit“ vom Alltag. Aber im Mittelpunkt stand wohl auch das sehen und das gesehen werden. Von der guten Gesellschaft wollte man im Urlaub definitiv keinen Urlaub machen. Und wenn dann auch noch ein Star wie Udo Jürgens im Hotel aufspielte, war das definitiv mehr als nur ein Bonus. Es gehörte schlichtweg zum gesellschaftlichen Leben dazu.

Ich denke der jetzige Ist-Zustand des „Hotel Hochfirst“ in Obergurgl lässt sich am besten verstehen, wenn man den Umbau des Wellness-Bereiches 2004 und die Generalsanierung der Zimmer und Suiten 2011 – 2014 in den Blick nimmt. 2004 signalisiert vor allem auch, dass ein Hotel der Luxusklasse in Sachen Wellness absolut Top sein muss. Nur gut zu sein, genügt nicht mehr. Die Ansprüche in Sachen Erholung, Entspannung und Wellness sind in den letzten Jahrzehnten immens gestiegen. Die wilden 60er sind längst vorbei und statt Bands, Musik und Whiskey sucht man im Heute Erholung und eine „Auszeit“ vom gesellschaftlichen Leben. Insofern ist es eine Bewegung zurück in die Vergangenheit, in denen der Komfort und das Wohlbefinden der Gäste im Mittelpunkt standen. Nur halt auf sehr viel höherem Niveau.

Die Ansprüche der Gäste sind gewachsen und nur mit der Formulierung, dass man jeden Komfort habe, lockt man heute niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Darauf nimmt auch die Generalsanierung der Zimmer und Suiten Bezug: Es sind immer noch „nur“ Zimmer, aber in einer Qualität, einer Ausstattung und einem Komfort, wie er damals noch undenkbar war. Anders gesagt: Ein Hotel der 5-Sterne-Kategorie darf der Zeit nicht hinterher hinken, sondern muss bewusst Akzente setzen und somit einen Blick in die Zukunft des Komforts und der Ausstattung werfen.

Wie sieht sie also aus, die Zukunft des „Hotel Hochfirst“ in Obergurgl? Ich bin kein Prophet, glaube aber aus der geschichtlichen Entwicklung ableiten zu können, dass die Fokussierung auf Wellness und absoluten Komfort in Zukunft das sein wird, was das „Hochfirst“ ausmacht. Aber das Schöne an der Zukunft ist: Wir alle, die wir diesen Text in der Gegenwart gerade gelesen haben, können an der Zukunft des „Hochfirst“ in Obergurgl teilhaben. Und das sollte man bei der nächstbesten Gelegenheit bei einem ausführlichen Aufenthalt in diesem außergewöhnlichen Hotel tun – und damit zugleich Teil der Vergangenheit, der Gegenwart und Zukunft dieses Hauses sein.

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Von in Hochfirst