Skitour in Osttirol: Vom “Bösen Weibele” direkt in die Sauna

Skitour

Es muss im Herbst vor ungefähr fünf Jahren gewesen sein, als ich das erste Mal vom “Bösen Weibele” hörte. Ich war damals mit einer Freundin im Auto von Klagenfurt nach Innsbruck unterwegs. Auf der Tauernautobahn entschieden wir uns spontan, die Route über Osttirol zu nehmen. Wir hatten keine Eile und das Wetter hätte schöner nicht sein können. Der Weg durchs Iseltal bot sich also an. Auf der Fahrt (ich war Beifahrerin) plauderten wir über Gott und die Welt, während wir uns über die naturbelassene Landschaft und die Sonne freuten. Irgendwann kam dann dieser Moment, in dem sich unangenehme Stille breit machte und uns die Gesprächsthemen ausgingen. Reflexartig zückte ich mein Handy und sah bei Google Maps nach, wo wir genau waren. “Böses Weibele” stand da klein links neben Lienz auf dem Display. Zuerst glaubte ich, mich verlesen zu haben, dem war aber nicht so. “Hier gibt es einen Berg, der ‘Böses Weibele’ heißt”, prustete ich los. Wir lachten beide. Die restliche Fahrt verlief dann wieder ereignis- und kommunikationslos. Das “Böse Weibele” beschäftigte mich nicht weiter. Ich ahnte ja nicht, dass es mir bald wieder über den Weg laufen würde.

Ich glaub’, mich tritt ein Berg

Vier Jahre und drei Monate später passierte genau das. Ich konnte selbst kaum glauben, worin ich mich da geritten hatte. Auf jeden Fall hatte ich plötzlich zwei mit Filz beklebte Bretter unter meinen Füßen und kämpfte mich mit Sonnenbrille, Skihose und T-Shirt Schritt für Schritt einen Hang hinauf. Ich war fest entschlossen. Wie konnte das passieren?

Lienzer Dolomiten
Wie konnte das passieren?

Jene Freundin, die mich damals im Auto von Kärnten mit nach Innsbruck genommen hatte, war begnadete Tourengeherin und lud mich ein, mit ihr an einem der Weihnachtsfeiertage eine Skitour in Osttirol zu unternehmen. Sie hatte es sich schon lange zum Ziel gesetzt, mir die Welt der Berge im Winter schmackhaft zu machen, ich hatte aber immer abgelehnt. Nur diesmal nicht. Sie hatte ein Ass im Ärmel, nämlich das “Böse Weibele”. Sie fragte mich, ob ich mit ihr eine Tour auf den Berg mit dem seltsamen Namen gehen will. Da konnte ich nicht Nein sagen. Ich hatte mich damals zwar nicht weiter mit dem “Bösen Weibele” beschäftigt, wollte aber doch insgeheim mehr darüber wissen. Vor allem interessierte mich, wie der Berg zu seinem Namen kam.

Viel Sonne, viel Winter

Winter
Die Landschaft war malerisch

So kam es, dass ich mich mit Skiern bestückt in einer malerischen Schneelandschaft wiederfand. Wir starteten kurz nach Bannberg bei einer Mauthütte auf ungefähr 1400 Metern Seehöhe und gingen dann ein paar hundert Meter entlang der Straße in Richtung Hochsteinhütte. Über einen Forstweg gelangten wir zur Kreuzerkaser, von wo ein schmaler Hohlweg uns an Soldererkaser und Lanerkaser vorbei führte. Wir marschierten durch lichtdurchflutete Wälder, bis wir schließlich die Baumgrenze durchbrochen hatten. Die Sonne lachte vom Himmel, uns bot sich ein glitzerndes Schneefeld. Die letzten 100 Höhenmeter nach dem sogenannten Rastl vergingen wie im Flug. Erschöpft, aber mehr als zufrieden erreichten wir dann den Gipfel vom “Bösen Weibele”, wo wir mit einem herrlichen Blick auf die Lienzer Dolomiten, das Pustertal und das Iseltal belohnt wurden. Auch die angrenzenden Berge der Schobergruppe konnte man gut sehen. Mir war nie bewusst gewesen, dass Osttirol derart viele Berge bzw. Gipfel zu bieten hat. Beflügelt von diesem Bilderbuch-Ausblick trugen wir uns ins Gipfelbuch ein. Die vier anstrengenden Stunden, die wir für den Aufstieg gebraucht hatten, waren spätestens beim der mitgebrachten Jause auf 2521 Metern Seehöhe vergessen. Außerdem stand uns das Tollste ja noch bevor: die Abfahrt. Was für ein Spaß! Ich war bestimmt seit acht Jahren nicht mehr skigefahren. Das Gerücht, dass man das nie verlernt, ist überraschenderweise wahr. Nach dem ein oder anderen Versinken oder Stolpern im Pulverschnee fand ich meinen Schwung. Die Abfahrt dauerte rund eine Stunde und führte uns zurück zum Rastl, anschließend auf die Kote und bis kurz vor die Gamperhütte. Danach ging’s durch einen Wald an der Gollerkaser und Oberhecherkaser vorbei, bis wir auf einen Forstweg kamen, der uns zurück zur Mautstraße und somit zum Ausgangspunkt führte.

  Wie das “Böse Weibele” zu seinem Namen kam

Das Rätsel um den seltsamen Bergnamen “Böses Weibele” konnte ich aber erst beim anschließenden Saunabesuch in Lienz lösen. Eine Freundin, bei der wir nach unserer Skitour Halt zum Wellnessen machten, klärte mich auf. Demnach lebte einst eine alte, böse Frau (umgangssprachlich ein Weibele) beim Tscharnig in Gaimberg. Man erzählte sich, sie sei eine Hexe. Als sie starb, wollten sie die Dorfbewohner nicht in geweihter Erde begraben. Sie beschlossen, das Weiblein auf einen Ochsenkarren zu legen und dort zu begraben, wo die Ochsen stehenbleiben. Gesagt, getan: Die Ochsen zogen das böse Frauenzimmer über die Glanzer Iselbrücke den Glanzer Berg hinauf und hielten erst auf dem Gipfel des Berges an. An dieser Stelle wurde die Frau begraben – seither heißt der Berg “Böses Weibele“.

Eine böse Hexe soll einst in Gaimberg gewohnt haben
Eine böse Hexe soll einst in Gaimberg gewohnt haben

Als Fan von Sagen und Mythen fand ich Gefallen an dieser Geschichte. Jedenfalls werde ich die Skitour in Osttirol in guter Erinnerung behalten. Vielleicht komme ich noch diesen Winter wieder, um einen weiteren Berg mit seltsamem Namen zu besteigen. Davon gibt es in Osttirol nämlich unzählige. Auf meiner To-Do-Liste stehen bereits Keeskopf, Kuhhaut, Hohe Achsel, Hoher Kasten, Weißer Zahn, Schere und Teufelskamp. Mit Sicherheit steckt hinter jedem dieser Namen eine interessante Geschichte. Ich kann den heurigen Winter kaum erwarten!

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Von in Gschichten.com