Liebe Öko-Spießer, lasst mich doch einfach in Ruhe!

Wenn ich das schon höre. Jetzt genügt es nicht mal mehr, einfach einkaufen zu gehen. Alles muss moralisch sein, alles muss fair produziert sein und letzten Endes gehen wir ja nicht nur einkaufen, weil wir zum Beispiel neue Kleidung benötigen, sondern weil wir die Erde zu einem besseren Platz machen möchten. Wir kaufen uns quasi mit jedem Einkauf ein Gewissen, werden mit jedem „fairen“ Kleidungsstück zu besseren Menschen. Danach gönnen wir uns auch noch ein bisschen Bio-Essen oder trinken einen Green-Smoothie, damit weder Tiere noch Pflanzen zu Schaden kommen.

Ja, schon klar. Es gab in letzter Zeit einige schlimme Ereignisse in der Bekleidungsindustrie. Die Arbeitsbedingungen in dieser Branche sind generell alles andere als in Ordnung. Und ja: Unser Reichtum basiert auf der Armut der anderen.

Sprich: Wir können nur deshalb so billige Klamotten kaufen, weil diese zu Hungerlöhnen unter unsagbaren Umständen produziert werden. Auch ich bin schockiert, wenn ich die Bilder sehe, die mir die unvorstellbaren Zustände in der Herstellung von Bekleidung deutlich machen. Auch ich bin betroffen und frage mich, was ich dagegen tun kann und wie ich dazu beitragen kann, dass es solche Skandale nicht mehr gibt und dass nicht sogar Menschen sterben müssen, weil ich nicht einen Euro mehr für mein T-Shirt ausgeben wollte.

Doch darum geht es nicht. Dass es so nicht geht sieht mittlerweile jeder. Jeder, der nicht komplett blind, blöd oder ignorant ist weiß, dass es so nicht weitergehen kann. Wir müssen Alternativen finden und wir müssen begreifen, dass unser Handeln Konsequenzen hat und nicht im luftleeren Raum stattfindet. Wir werden unsere guten alten Gewohnheiten abstreifen müssen und vielleicht auch mal den einen oder anderen Euro mehr für gute Lebensmittel ausgeben müssen.

Dort einkaufen? Nein danke. Es gibt nämlich Alternativen.
Dort einkaufen? Nein danke. Es gibt nämlich Alternativen.

Ich kritisiere nicht die Menschen, die klar und deutlich auf solche Missstände hinweisen, sondern die Menschen, die ihre eigene moralische Überlegenheit damit legitimieren. Ich behaupte, dass die Ungerechtigkeiten dieser Welt einen neuen Typus von Mensch und Konsument hervorgebracht haben: Den Öko-Spießer! Dieser Öko-Spießer ist der Typus von Mensch, der sich überlegen und als besserer Mensch fühlt, weil er eben „fairer“ einkauft, sich strikt vegan ernährt und damit dazu beiträgt, dass die Welt im Gleichgewicht bleibt.

Die Welt und die Bäume retten? Ja, klar. Aber bitte mit viel Aufmerksamkeit.
Die Welt und die Bäume retten? Ja, klar. Aber bitte mit viel Aufmerksamkeit.

Er empfindet jeden Fleischesser als Zumutung, weil er gegen Tierfabriken ist. Er kauft im Supermarkt nur noch Bio-Produkte und straft diejenigen mit Verachtung, die das nicht tun. Sein Blick sagt dabei mehr als tausend Worte: Wie können diese Menschen nur so gedankenlos sein? Schließlich hätten wir ja nur einen Planeten und diesen gelte es zu schützen und zu bewahren, für unsere Kinder und Kindeskinder.

Und überhaupt: Wir sind doch alle eine große Familie, oder? Dazu gehört es natürlich auch, dass man am Abend zu Trommelkursen geht und damit in einen Dialog mit dem Universum tritt. So verbunden fühle man sich dann mit der ganzen Menschheit! Diese ganzen Rassisten die es auf dieser Welt gäbe seien ja so blöd und so dämlich. Eine Menschheit, kein Mensch ist illegal! Darum gehen wir auf die Straße, dafür kämpfen wir. Warum gibt es noch mal Menschen, die dabei einfach zusehen können und nichts tun?

Ihr merkt schon: Ihr gerate da leicht in Rage. Nicht weil es per se schlecht wäre, sich für eine bessere Welt einzusetzen. Ich muss meine Handlungen aber nicht ostentativ zur Schau stellen. Ich muss nicht permanent betonen, dass ich ein besserer Mensch bin. Ich muss nicht immer posten, was ich jetzt gerade wieder für faire Produkte und Kleidung gekauft habe, damit es Gott und die Welt ja mitbekommt, dass ich wieder etwas für unsere geschundene Welt getan habe.

Sagen wir es so: Der Kampf der Öko-Spießer ist letztlich nicht authentisch. Dieser Kampf hat nicht wirklich die Verbesserung der Produktionsbedingungen in den sogenannten Entwicklungsländern im Sinne, sondern die Profilierung der eigenen Person als moralische Instanz.

Das schlimmste an der Sache ist aber eines: Diese sich gerne als moralisch überlegen gebenden Öko-Spießer fallen im Moment auf wirklich jeden Marketing-Schmäh rein. Bio aus dem Supermarkt? Ja, bitte! Vegane Smoothies von einer Supermarkt-Kette in Tirol? Ja, bitte gerne.

Selbst Getränke sind mittlerweile dazu da, das eigene Gutmensch-Sein zu unterstreichen.
Selbst Getränke sind mittlerweile dazu da, das eigene Gutmensch-Sein zu unterstreichen.

Im Grunde ist die Diagnose einfach: Der Öko-Spießer ist zur Zielgruppe geworden. Er wird beworben und umworben, weil klar ist, dass sich mit Moral ein gutes Geschäft machen lässt. Weil sich Leute eben ein Gewissen kaufen möchten. Das ist eine herrliche Marktnische, die Öko-Spießer sind eine dankbare Zielgruppe, der man von pseudo-bio über pseudo-fair fast alles andrehen kann.

Bitte versteht mich nicht falsch: Ich bin auch für eine bessere Welt. Und dafür, dass wir unsere Handlungen reflektieren und uns gut überlegen, was wir wo kaufen. Zwei Bitten hätte ich aber: Bitte liebe pseudo-grünen Öko-Spießer: Lasst mich mit eurer Zur-Schau-Stellung eurer moralischen Überlegenheit in Ruhe! Und denkt bitte mehr nach, was ihr kauft und wo ihr es kauft und fallt nicht auf jeden billigen Marketing-Trick herein! Handelt vielleicht mehr still, heimlich und leise. Tut Gutes und kauft das Richtige, aber weißt nicht immer und überall darauf hin!

Denn: Wir wirklich im Interesse der Umwelt, der Welt und der Gerechtigkeit handelt, der tut es selbstlos und bescheiden. Der muss nicht immer und überall auf die eigenen guten Taten hinweisen. Wahres Engagement kennt kein Ego, sondern stellt sich in den Dienst der Sache!

Man kauft nicht im nächsten Supermarkt ein, sondern zum Beispiel bei 4betterdays.com, bei Grüne Erde, Greenalityoder was weiß ich wo. Es gibt wirkliche Alternativen! Aber die erkennen die Öko-Spießer erst gar nicht. Weil sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Statt die Welt mit viel Trara zu retten könnten man sich auf Plattformen wie Utopia einlesen. Jetzt mal so als Vorschlag. Denn dann würde sich auf Dauer wirklich etwas ändern.

Liebe Öko-Spießer, lasst mich doch einfach in Ruhe!
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Von in Gschichten.com